1. Bd. 2
- S. 211
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
Das Zeitalter Ludwigs Xiv. 211
Geldnoth mehrte und das Parlament, bei dem der erste Enthusiasmus für
das Königthum bald vorüberging, in seinen Bewilligungen nicht so freige-
big war, als der König wünschte, so horchte Karl auf die lockende Stimme
Frankreichs und verkaufte an Ludwig Xiv. die Ehre und den Vortheil des
Landes und den eigenen Glauben um Jahrgelder und Mätressen (§. 613).
Die damals an dem tonangebenden französischen Hose herrschende Sitte,
durch Religionswechsel und Proselytenmachen seine vornehme Bildung und
feine Lebensart zu beurkunden, hatte bereits auch in England Wurzel gefaßt.
Der Herzog von Pork, des Königs Bruder, trat zur römischen Kirche
über und brachte auch seine Gemahlin, die Tochter des Ministers Claren-
don, des royalistischen Geschichtschreibers der englischen „Rebellion" zu dem-
selben Schritt, und daß Karl Ii. seine katholische Ueberzeugung in seiner
Brust verschloß und lieber den unheimlichen Pfad der Heuchelei und Falsch-
heit wandelte, rührte von dem Rathe Ludwigs Xiv. her, der von einem
raschen Uebertritt Gefahr für den Thron und Schaden für seine eigenen In-
teressen fürchtete und darum die unbesonnene Kundmachung der Glaubens-
änderung Hintertrieb. Das Volk ahnte wohl, was in des Königs Herzen vor-
gegangen; Gewißheit erlangte es aber erst, als Karl bei seinem Tode die
katholischen Sterbesacramente nahm. Durch die Teftakte, welche festsetztc,
daß jeder, der ein Amt oder eine Militärstelle bekleide, der englischen Kirche
angehören müsse, suchte das Parlament den anglikanischen Glauben gegen
die Ränke des Hofs sicher zu stellen.
Die Erinnerung an die Härte der presbyterischen Geistlichen während seiner verhäng-
nißvollcn Jugendjahre, die Abneigung des genußsüchtigen Fürsten gegen die ascetische
Strenge der Puritaner, und das Bedürsniß, für ein wollüstiges und lastervolles Leben
eine leichte Absolution zu erlangen und durch eine kraftlose Buße den Fortgenuß
aller sinnlichen Freuden zu erkaufen — dies waren die Motive, die Karl Ii. dem Katholi-
cismus geneigt machten und ihn auf eine Bahn führten, auf der er Heuchelei, Doppel-
züngigkeit, Falschheit und Wortbrüchigkcit nicht vermeiden konnte. Die vor seiner Rück-
kehr erlassene Zusicherung der Gewissensfreiheit blieb unbeachtet, so lange die
englische Nation und ihre unduldsame Geistlichkeit ihren Zorn gegen die Puritaner
richteten, an denen sie die erlittene Schmach rächen wollten. Er duldete, daß die Uni-
sormitätsakte 2000 puritanische Geistliche ihrer Stellen beraubte und sie mit Weib
und Kind dem Elende Preis gab; und als diese bei ihren bisherigen Pfarrkindern Mit-
leid, Hülfe und Anhänglichkeit fanden und heimliche Bet- und Andachtsstunden anordne-
ten , wurden durch die C o n v en tikel-Akte alle religiösen Zusammenkünfte von mehr
als fünf Personen, wobei nicht das allgemeine Gebetbuch zu Grunde gelegt wäre, für
ungesetzlich und aufrührerisch erklärt und die Theilnehmer mit schweren Strafen bedroht.
Diese Eonventikel-Akte wurde auch nach Schottland ausgedehnt, wo das Episcopalsystem
in aller Strenge eingeführt und den gemäßigten Presbyterianern eine halbeduldung unter
dem Namen I n d u l g e n z gewährt wurde. „Aber cs gab viele ungestüme und entschlos-
sene Männer (sagt Macaulay), besonders in den westlichen Niederlanden, welche der Mei-
nung waren, daß die Verpflichtung, den Covenant zu halten, höher stehe als die Verpflich-
tung, der Obrigkeit zu gehorchen. Diese Menschen fuhren fort, im Widerspruch mit dem
Gesetz Versammlungen zu halten, und Gott auf ihre Weise zu verehren. Die Jndulgenz
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1673.