1. Bd. 2
- S. 226
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
Bayle
1647 —
1706.
Bossuet
f1740,
226 Ausgang des siebenzehnten Jahrhunderts.
Fenelon, ein edler Mann von mildem Charakter und christlicher Gesinnung
und Tugend, war Erzieher der königlichen Enkel und schrieb dieses an Homers
Odyssee sich anschließende Werk in der Absicht, dem Erben des Thrones diepflich-
ren eines Regenten anschaulich zu machen.
Da die dort ausgestellten Grundsätze durch den grellen Contrast mit der Regierung
Ludwigs Xiv. als eine Satire auf die letztere gelten konnten und man hie und da Anspie-
lungen zu finden glaubte, so verbot der von dem neidischen Bossuet gegen Fenelon auf-
gebrachte König nicht nur den bereits begonnenen Druck, sondern belegte auch den Bischof,
mit dessen mystisch-religiösen Ansichten er überdies unzufrieden war, mit seiner Ungnade.
Erst nach Ludwigs Tod wurde das Ganze vollständig gedruckt und zugleich die merkwür-
dige Abhandlung („Anweisungen für das Gewissen eines Königs") betgefügt, in der Fe-
nelon aus den Lehren des Christenthums die Grundsätze einer von Rächen aus dem Volke
umgebenen constitutionellen Monarchie ableitete und die Verwaltung des Reichs nach festen
Gesetzen zur Gewisscnssachc derregenten machte.
§. 630. Prosa-Literatur der Franzosen. Einen neuen Zweig
der Prosaliteratur bildeten die von nun an immer häufiger entstehenden
Journale, sowohl politische als literarische. Unter den letztern wa-
ren am bedeutendsten das im Sinne der katholischen Kirche und des Pariser
Hofes redigirte Journal des Savans (seit 1665), die von Le cler c (Clericus)
und Bayle indenniederlandengeleitetenixouvellesde la ré[uiblique des let-
tres im protestantisch - freisinnigen Interesse und das Jesuiten-Journal de
Trevoux. — Von der polemischen Literatur, zu welcher der Streit der I an-
senisten (Pascal u. A.) mit denjesuiten Veranlassung gegeben, ist schon
oben (§. 617.) die Rede gewesen.
Bayle, ein während der Huguenottenversolgungen aus Frankreich in die
Niederlande geflüchteter Gelehrter, war einer der scharfsinnigsten Kritiker und
hellsten Köpfe der Zeit. Sein Grundsatz, daß die menschliche Vernunft nur ver-
mögend sei, Jrrthümer zu entdecken, keineswegs aber die Wahrheit zu erkennen,
hat seinen Untersuchungen einen auflösenden und vernichtenden Charakter aufge-
drückt. Er bekämpfte mit Freimuth und überzeugender Gründlichkeit und Klar-
heit alle Jrrthümer und Vorurtheile in Kirche, Staat, Wissenschaft und Leben
und unterwarf alles Vorhandene in Sitten, Meinungen, Staatseinrichtungen
und Religion seinem prüfenden Verstand. Seine Schriften waren um so wirk-
samer, als er Meister des Styls war und selbst den gelehrtesten Abhandlungen
durch witzige und unterhaltende Darstellung und Anekdoten ein Interesse zu geben
wußte.
Sein Hauptwerk ist sein historisches und kritisches Wörterbuch, worin er
an eine Anzahl Namen aus der politischen, kirchlichen und literarischen Geschichte seine ge-
lehrten Forschungen und skeptische Betrachtungen anreiht, ein Buch, das, bei aller Ruhe und
Gewissenhaftigkeit der Forschung, zum Zweifel und Unglauben anregt und daher von jeher
heftige Tadler unter allen Parteien gefunden hat.
Auf entgegengesetztem Standpunkte steht der als Kanzelredner, Huguenotten-
bekehrer und Eiferer für katholische Rechtgläubigkeit bekannte Bossuet, Bi-
schof von Meaux, ein kluger, ehrgeiziger Prälat, der bei seinem kirchlichen und
literarischen Wirken vor Allem nach der Gunst des Hofes strebte.
Außer seinen geistlichen Reden und polemischen Schriften wider die Protestanten (die
Geschichte der religiösen Veränderungen [varialions] in der protestan-