1. Bd. 2
- S. 244
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
244 Erste Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts.
schein, als sollten die polnische und russische Krone auf Einem Haupte vereinigt
werden, als ein Theil der russischen Großen den polnischen Prinzen Wla d is lav
Wasa als Zaar ausrief — aber der Uebermuth der in Moskau gebietenden Po-
len und die Verschiedenheit der Sitten und Religion vereitelten den Plan. „Ver-
schwörungen, Verrathereien und Ermordungen füllten Moskau mit Mißtrauen
und Blut." Müde der Verwirrung ermannten sich endlich die russischen Großen,
trieben die Polen aus dem Kreml und vereinigten sich zur Wahl des 17jährigen
Mi ch a el Rom a n o w, der ein Sohn des geachteten Erzbischofs und mütter-
licher Seits ein Abkömmling des altenzaarenhauses war. Ein aus Adel, Kle-
rus und Städteabgeordneten gebildeter Reichstag entwarf ein Staats-
grundgesetz, wornach Michael für sich und alle seine Nachkommen unum-
riow'sches schränkte Zaarengewalt erhielt. Mit ihm beginnt das Romanow'sche
Haus Regentenhaus, dem Rußland seine Größe und Ausbildung zur europai-
i6i schen Großmacht verdankt. Michaels Mäßigung und F r i e d l i e b e war
sehr geeignet die innern Wunden zu heilen. Er ordnete die Grenzen durch Frie-
densschlüsse mit Polen und Schweden, und mußte auch manche Eroberung diesen
mächtigen Nachbarn überlassen bleiben — die Russen nahmen spater Alles mit
1645°-76. Wucher zurück. Schon Michaels Sohn Alex ei Romanow erwarb durch den
großen Polenkrieg (§. 587.) Smolensk, Severien und andere Orte und
brachte die streitbaren, wohlberittenen Kosaken zur Anerkennung der russischen
Oberhoheit. Doch mußte er ihnen die freie Wahl ihres Hetmans und die mili-
tärisch-demokratische Verfassung bestätigen. Zugleich eröffnete Al ex ei Handels-
wege nach Persien und China über Sibirien und die Wolga herauf, hob die
innere Betriebsamkeit und begünstigte europäische Cultur. Sein ältester Sohn
1676-82 Teodor that einen großen Schritt zur kaiserlichen Allgewalt durch Vernichtung
der Geschl e ch ts register (Rosrad), auf denen die Ansprüche der Adels-
1682. familien beruhten. Nach seinem Tod änderten die Strelitzen durch einen
Aufstand die von Feodor getroffene Thronfolgeordnung; als aber Peter,
Alexei's jüngster Sohn, das 17. Lebensjahr erreicht hatte, riß er sein Recht wie-
1689. der an sich und führte dann mit starker Hand diealleinherrschaft. Seine ehr-
geizige Schivester Sophie, die ihn zu verdrängen gedachte, endete ihre Tage
im Kloster.
^Große° §♦ 642. Peter der Große. „Der junge Zaar Peter war ein außer-
"i725~ ordentlicher Mensch, von einer Schnellkraft, die nie gelähmt werden zu können
schien, und von einem Wahrheitssinn, den kein religiöses oder politisches Vorur-
theil tauschen konnte. Sein Ehrgeiz, so gränzenlos er war, verleitete ihn nie zur
Eitelkeit, seine Wißbegierde nie zur bloßen Neugier, sein großer Monarchie-Plan
nie zur kahlen Habsucht des Eroberers, und so rastlos thätig er war, so standhaft
war er auch in allen seinen Entwürfen." Als Mittel der Cultur dienten ihm Rei-
sen, vertrauter Umgang mit Menschen aller Art und eigene Versuche. Durch den
Hauptmann Le fort aus Genf erfuhr der Zaar zuerst, wie die Länder des civi-
lisirten Europa aussähen; dies erzeugte in seinem empfänglichen Gemüthe Liebe
zur Ordnung und Cultur und Haß gegen Barbarei. Von dem an ging sein gan-
zes Streben dahin, das russische Reich aus einem asiatischen, wie es bisher ge-
wesen, in einen europäischen Staat umzuwandeln. Zu dem Zweck beförderte er
die E i n w a n d e ru n g ausländischer H a n d w e r ke r, Seeleute und O f-
fizierenach Rußland, unbekümmert um den Fr em d en h aß seiner Lands-
i697‘ leute; dann unternahm er im Gefolge einer Gesandtschaft, an deren Spitze Lefort
stand, seine erste Reise über Norddeutschland nach Holland und England, um
den Schiffbau zu erlernen. Und damit er dieses Ziel sicherer erreichte, trat er in