1. Bd. 2
- S. 260
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Erste Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts.
Vater aus Laune besten beabsichtigte Vermahlung mit einer englischen Prinzessin,
oder, wie es in andern Nachrichten heißt, mit Maria Theresia von Oestreich,
nicht gestattete, mit einigen jungen Freunden den Plan faßte, sich durch die
Flucht der väterlichen Gewalt zu entziehen. Eine Reise des Königs in die Rhein-
gegenden schien eine günstige Gelegenheit zu bieten. Aber ein ausgefangener Brief
Friedrichs an seinen Vertrauten, den Lieutenant von Katte, brachte das Ge-
heimniß an den Tag. Der König schäumte vor Wuth. Er ließ den durch ein
Kriegsgericht als Ausreißer zum Tode verurtheilten Kronprinzen auf die Festung
Küstrin bringen und Katte vor besten Fenstern hinrichten; alle, von denen
der König nur den leisesten Verdacht eines Einverständnisses mit seinem Sohne
hatte, wurden von dem über die Verletzung seiner hausvnterlichen Autorität auf-
gebrachten Monarchen schwer gezüchtigt. Friedrichs Schwester (die durch ihre
Denkwürdigkeiten bekannte nachmalige Markgräsin von Bayreuth) erhielt als
Mitwisserin Faustschläge ins Gesicht. Erst als Friedrich reumüthig des Vaters
Vergebung anflehte und sich der Kaiser von Oestreich für ihn verwendete, wurde
er aus der Festung entlasten, mußte aber noch einige Zeit auf der Domänen-
kammer in Küstrin arbeiten, ehe ihm Uniform und Degen zurückgegeben wurden.
Bald darauf erfolgte Friedrichs Vermählung mit einer Fürstentochter von
Braunschweig - Bevern, allein sein Geist fand wenig Gefallen an den engen
Schranken der Häuslichkeit; er sah seine Gemahlin selten, besonders seitdem ihm
der Vater das Städtchen R Heinsberg überlassen, wo er fortan im Kreise
geistreicher, gebildeter und freidenkender Freunde (wie Kaiserling, Jordan, Cha-
zot, Fouquet u. A.) ein von Witz, Scherz und munterer Unterhaltung erheitertes
und von ernsten und vielseitigen Studien gehobenes Leben führte. Er las die
Werke der Alten in französischen Uebersetzungen und schöpfte daraus die edle
Ruhmbegierde, an Großthaten und Geistesbildung den griechischen und römischen
Helden nachzustreben; er bewunderte die französische Literatur und faßte für
Voltaire eine solche Verehrung, daß er ihm die schmeichelhaftesten Briefe
schrieb und den persönlichen Umgang eines so großen Geistes als das höchste
Glück prieß; mit den bedeutendsten Gelehrten und Schriftstellern des In- und
Auslandes trat er in brieflichen Verkehr. Kein Wunder, daß seine Thron-
besteigung in ganz Europa als ein wichtiges Ereigniß angesehen ward, zumal
da gleich seine ersten Handlungen den grom und freisinnigen Regenten beur-
kundeten.
Des Vaters kostspielige Riesengarde wurde abgeschafft und das Geld besser angewcn-
det. Der Philosoph Wolf ward von Marburg nach Halle zurückberufen, weil in Fried-
richs Staaten „Jeder nach seiner Fayon selig werden könne." V o ltaire besuchte den Kö-
nig und nahm später sogar auf längere Zeit seinen Aufenthalt in Berlin; aber der persön-
liche Umgang, der die eigennützige, selbstsüchtige und eitle Natur des Franzosen, so wie
sein von Neid und Bosheit erfülltes Herz an's Licht brachte, benahm dem König viel von
seiner frühern Bewunderung. Ein so spottsüchtigcr Mann wie Voltaire, der nie einen
Witz oder eine» pikanten Einfall, wie verletzend sie auch sein mochten, unterdrücken konnte,
war nicht zum Umgang mit einem Fürsten von ähnlicher Natur geschaffen. Besser eigneten
sich dazu minder bedeutende Geister, wie der wegen seiner freigeistigen Denkungsart aus
Frankreich verwiesene witzige Spötter Lamettrie und der materialistische Philosoph
d'ar ge ns. Der französische Mathematiker Maupertuis wurde zum Präsidenten der
von Friedrich wieder begünstigten Berliner Akademie der Wissenschaften ernannt.
§. 655. Kirchliches. — a) Verfolgungen. Religio nswechsel.
Vereinigungsversuche. — Die Bestimmungen des Westfälischen Friedens