1. Bd. 2
- S. 267
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
Innere Zustände.
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eines engherzigen, pietistisch beschrankten Commandanten büßte; Schiller entging
vielleicht einem ähnlichen Schicksal durch die Flucht. — Inbayern folgte auf Bayern.
Maximilian Emanuel (1679 —1726), der durch seinen Bund mit Frank-
reich sein Land ins Verderben stürzte (§. 632.), sein Sohn Karlalbert (1726
— 1745, vergl. §. 658.), der nicht minder durch seine Eitelkeit und Prachtliebe,
wie durch den unglücklichen Versuch, mit Hülfe der Franzosen die östreichischen
Lander an sich zu reißen (tz. 658.), das schrecklichste Elend über sein Volk brachte.
In Bayern herrschte am Hofe wie im Land Rohheit, Unwissenheit und
Aberglauben in unglaublichem Grade. Jagdhunde, Pferde und Kirchenfeste
verursachten hier einen eben so großen Aufwand wie anderwärts Opern und Hof-
feste, und zehrten am Wohlstände des Landes. Unter M aximi l i an I o sep h
(1745—1777) erlebte Bayern bessere Zeiten, wenn schon auch seine Kräfte nicht
hinreichten, die Wunden zu heilen und die tiefen Mißstände zu heben. Er ließ
Justiz und Gerichtswesen bessern und die Strafgesetze schärfen, weil die Zahl der
Verbrecher und Landstreicher zu einer erschrecklichen Höhe gestiegen war; er hob
die Universität Ing olstadt aus dem Zustande der Barbarei und Rohheit, in
die sie seine Vorgänger hatten gerathen lassen; aber die Jesuiten blieben nach wie
vor im Alleinbesitz der akademischen Stellen und waren bei Hofe einflußreiche
Beichtväter und Prinzenerzieher; er beförderte Künste und Wistenschaften, allein
in dem von Geistlichen und Mönchen geleiteten und von der Nacht des Aberglau-
bens bedeckten Lande blieb dievolksbildung stets zurück und die Wissenschaft ohne
praktischen Einfluß. Die Finanzuntcrnehmungen des wohlmeinenden Kurfürsten
wurden unter den Händen hartherziger und eigennütziger Amtleute eine Quelle
neuer Bedrückungen und was halfen alle Wünsche zur Hebung und Befserstel-
lung des Bauernstandes, wenn er das Jagdwesen und den Wildstand unverändert
forrbestehen ließ, damit er selbst und der rohe Landadel ihrer gewohnten Jagdlust
leben könnten? Auf ihn folgte Karltheodor von der Rheinpfalz (1777 —
1799). — Kein deutsches Land hat wohl so viele Leiden und Drangsale aufzu-
weisen als das Kurfürstenthum Sachsen unter Friedrich August Ii. (1694 ®ac£,,en-
—1733), dem Bruder Johann Georgs Iv. (tz. 495.) und seinem Sohn Frie-
drich Aug ust Iii. (1733—1763). Jener, ein leichtsinniger, gottvergeffener
Fürst, opferte seiner Sinnenlust, seiner Prachtliebe und seiner Eitelkeit den Glau-
den seiner Väter, die Liebe seiner Unterthanen und den Wohlstand seines Landes.
In kurzsichtiger Verblendung verscherzte er durch seinen unbesonnenen, aus poli-
tischen Beweggründen unternommenen Uebertritt zur katholischen Kirche die sichere
Stellung Kursachsens als Haupt des protestantischen Deutschlands, um die leere
Würde eines polnischen Wahlkönigs zu erlangen. Ueber Opern und Concerten,
über Festlichkeiten und Lustschwelgereien, über Mätressen und Jagden übersah der
gewissenlose Fürst die Thränen seines Landes während des schwedischen Kriegs
und die Leiden des gedrückten schwerbesteuerten Volks (vergl. tz. 643.645.651).
Nicht besser war der Zustand Sachsens unter Friedrich August Iii., der sich ganz
der Leitung des hoffärtigen, schwelgerischen und despotischen Grafen Brühl
überließ (vergl. tz. 652. 658). — Nach einer fünfjährigen Zwischenregierung
(1763—1768) kam Friedrich August Iv. auf den Thron, den er 59 Jahre
lang (1768—1827) mit Ehren besaß. Unter ihm erlebte Sachsen glückliche und
glänzende Zeiten und manche Wunde konnte vernarben; aber nach einigen Jahr-
zehnten trafen die Schläge des Unglücks mit neuer Gewalt Haupt und Glieder,
Land und Volk. An dem Aufschwung, den zu seiner Zeit Kunst, Literatur und
Wissenschaft in Deutschland nahm, hatte Sachsen und Thüringen keinen gerin-
gen Antheil; das Schulwesen erfuhr große Verbefferungen, und die Friedenszeit