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1. Bd. 2 - S. 290

1854 - Leipzig : Engelmann
290 Das Revolutions-Zeitalter. und andere europäische Länder kennen gelernt, verfaßt wurde, ist in einem gemäßigteren und ernstern Ton gehalten. Um so wirksamer waren die mit Ruhe und Klarheit niedcrge- lcgten Lehren von einer vernünftigen Freiheit. Bei der Darstellung der verschiedenen Staats- formen wird die r e p u b li k a n i s ch e als Ideal obenangestellt, die aber nur bei hoher Bür- gcrtugcnd .möglich sei. Nach ihr kommt die c o n stitu tio n elle Verfassung Englands, mit scharfer Trennung der drei Gewalten, der gesetzgebenden, ausübenden und richtenden, und zuletzt die ab so l u t e, die leicht in D esp o ti e umschlage und als Ur- sache aller Entartung und alles Sittenverderbs anzusehen sei. Dabei wurden das Gerichts- verfahren, das Besteuerungswesen und andere in Frankreich herrschende Mißstände stark gerügt und das Fehlerhafte in der Regierungsweise aller Staaten des europäischen Fest- landes hcrvorgehoben, Religion und Kirche dagegen mehr geschont als in den persischen Briefen. Rousseau. Den größten Einfluß auf die Umgestaltung der Ansichten und Meinungen seiner Zeit, hatte I o h. I a k. R o u s s e a u. Er war in Genf geboren und zu dem Gewerbe seines Vaters, eines Uhrmachers, bestimmt, entfloh aber der Strenge seines Lehrmeisters und führte von dem an ein vielbewegtes, erfahrungsreiches Leben, bald in Savoyen und Oberitalien, bald in Paris oder in der ländlichen Stille von Montmorenci, bald als ver- folgter Flüchtling auf der Petersinsel im Vieler-See, im Neuenburger Kanton unter dem Schutze Friedrichs Ii., in England bei dem Geschichtschreiber Hume, bis er, gedrückt von Schwermuth und Lebensüberdruß, plötzlich aus dem Gute eines seiner Verehrer unweit Paris starb. Er selbst hat alle Umstände seines äußern und innern Lebens in seinen Be- kenntnissen mit seltener Offenheit und Aufrichtigkeit der Welt dargelegt, eine Lebensge- schichle, die um so wichtiger ist, als sich die Richtung seiner Ansichten daraus erklären läßt. Frühe seiner Mutter beraubt erhielt er eine mangelhafte Erziehung. Er las mit seinem Vater eine Menge von Romanen ohne alle Auswahl, wodurch sein Gefühl überreizt, seine Phantasie mit unwahren und idealen Gebilden angefüllt wurde, indeß sein Geist ohne ge- diegene Kenntnisse und echte Belehrung blieb. Durch seine Geburt und Erziehung war er an Einfachheit, an bürgerliche Zucht gewöhnt und blieb daher sein Leben lang ein Feind des Luxus und der Ungleichheit der Güter. Aus seinen Wanderungen sah er den Druck der Armuth, die Mißhandlung der dienenden und arbeitenden Klasse durch die Reichen und Vornehmen, und sein Gemüth empörte sich über diese Ungerechtigkeit. Die bürgerlichen Zustände mit ihrer Standesverschiedenheit und den großen Unterschieden des Ranges und Vermögens kamen ihm verkehrt und unnatürlich vor; er fand die Ursache dieser Gebrechen in der gesteigerten Civilksation und stellte daher in seinen zwei ersten Schriften die Künste und Wissenschaften als die verderblichsten u n b unheilvollsten Güter der Menschheit dar. Ein eingebildeter Naturzustand wurde von ihm als die Heimath der Freiheit und der Unschuld gepriesen und nur in dem Rückgänge zu diesem und in der Abschüttelung aller Fesseln, die Bildung , Erziehung und Gewohnheit geschlungen, sah er das Heil der Welt. In einem andern Buche, dessen Grundsätze auf den Gang der franzö- sischen Revolution vom größten Einflüsse waren, in dem Gesellschastsvertrag (contrat social) stellt er die Gleichheit aller Menschcn als Bedingung jedes Staats dar und findet nicht wie der von ihm bekämpfte Montesquieu in einer constitutionellen Verfassung,, sondern in der völligen Demokratie mit gesetzgebenden Volksversammlun- gen die würdigste Staatsform und in dem leiblichen Wohlbefinden des Volks den höchsten Zweck des Staats. — Wie Rousseau hierin die bestehenden Regierungsformen erschütterte, so in seinen berühmtesten Werken: die neue Heloise und Emil die Sitten, Gewohnhei- ten, Lebensweise und Erziehung der damaligen Zeit. In dem erster« schildert er in poeti- scher Sprache und in der Form eines in Briefen geschriebenen Romans die Vorzüge eines sentimentalen Naturlebens vor den verschrobenen Verhältnissen der Wirklichkeit und durch das letztere suchte er eine auf Natur und Elternliebe beruhende vernünftige Erziehung zu
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