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1. Bd. 2 - S. 316

1854 - Leipzig : Engelmann
316 Das Revolutions-Zeitalter. talitat die ohnehin für den Bürger und Bauer so drückende Einrichtung im höch- sten Grade verhaßt. — Allein durch diese Zolladministration und durch die dem Volkswohlstand gleichfalls gefährlichen Lotterien brachte es der König dahin, daß seine Staatskasse trotz des großen Aufwandes für Heer- und Kriegs- wesen und für kostspielige Gebäude (Berliner Opernhaus, Palast in Sanssouci u. a.) stets gefüllt war und er seinem Neffen Friedrich Wilhelm Ii. einen baaren Schatz von 72 Millionen und ein trefflich gerüstetes Heer von,200,000 Mann zurücklassen konnte. — Dem Kriegswesen, auf dem Preußens Macht vorzugsweise beruhte, blieb Friedrichs Hauptsorge zugewendet, daher es bei Er- richtung der Berliner Ritterakademien und mehrerer Kadettenhauser zunächst auf Bildung des jungen Adels zu Offizieren abgesehen war.— Am wenigsten erfreute sich das Kirchen- und Schulwesen der Aufmerksamkeit des Königs. Die Schulstellen kleiner Orte mußten ihm oft zur Versorgung verabschiedeter Unter- offiziere dienen, indeß die höhern Anstalten häufig der Leitung von Franzosen überlassen wurden. Was aber Religion und Kirche betrifft, die in der Regel unter zu wenig Pflege von Oben besser gedeihen als unter zu vieler, so war es ein großer Vortheil, daß Friedrich zuerst den Grundsatz christlicher Toleranz aufstellte und praktisch übte. Er stand vermöge seiner Bildung und seiner freidenkenden Geistesrichtung über dem Gezanke der Theologen und den kleinlichen confesfionellen Streitigkeiten, und wenn gleich die französische Philosophie, der er huldigte, kei- neswegs als eine erfreuliche Erscheinung begrüßt werden kann, so wirkte sie doch in sofern vortheilhaft, daß sie der Vernunft ihre Rechte zurückgab, den Religions- haß minderte und eine freiere humane Bildung begründen half. — Größere Sorgfalt widmete Friedrich dem Gerichtswesen, wo er eine Menge Uebel- stande abstellte. Die Tortur und die grausamen und entehrenden Strafen des Mittelalters wurden aufgehoben; der Gerichtsgang ward vereinfacht und beschleu- nigt; die Gesetze unterlagen zeitgemäßen Reformen; das unter feinem Nachfolger Friedrich Wilhelm Ii. als preußisches Land rech t eingeführte neue Ge- setzbuch wurde unter Friedrich vorbereitet. Wichtiger aber als alle Verordnungen und Einrichtungen war, daß Friedrich Ii. selbst von Allem Notiz nahm, auf sei- nen Reisen sich nach Rechtspflege und Verwallung genau erkundigte, die Säumi- gen antrieb, die Gewissenlosen bestrafte. Durch seine unermüdliche Thatigkeit vom frühen Morgen bis zum späten Abend erlangte er eine umfassende Einsicht in glle Zustände seines Reichs; und sein diktatorisches Wesen, das selbst den Stock nicht verschmähte, schreckte die Trägen und Ungerechten. — Eine Eigenschaft ist oft mit Recht an dem großen König getadelt worden — seine Vorliebe für das Fremde und seine Verkennung, ja Verachtung des Vaterländischen. In der Sprache und Literatur lag die Ursache nahe. Als er den Thron bestieg, beherrschte Gottsched und seine Schule die deutsche Poesie und den Geschmack und ihre geistlosen Nachahmungen und Uebersetzungen französischer Dichtungen konn- ten dem hochstrebenden Fürsten nicht genügen. Er wendete sich der klaren und glatten, aber hohlen und phantasielosen Kunstpoesie der Franzosen zu, bewunderte Voltaire als Dichter und Philosophen auch dann noch, als sie sich in Feindschaft getrennt und einander die bittersten Dinge gesagt hatten, und unterhielt mit den literarischen Notabilitätcn Frankreichs einen ununterbrochenen Briefwechsel in französischer Sprache. In seinen späteren Jahren hatte Friedrich weder Lust noch Zeit, die Ansichten seiner Jugend zu ändern; er verschloß seine Augen vor der gänzlichen Umgestaltung der deutschen Literatur durch Kl opstock und Lessing. — Aber nicht bloß in der Literatur war Friedrich ein Verehrer des französischen Geschmacks: ^as ganze Thun und Treiben dieser Nation wurde von ihm bewun-
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