1. Bd. 2
- S. 332
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
1776.
Necker
1777-81
Mai
1781.
Calonne
1783.
332 Die französische Revolution.
leihen— Türgot und Malesherbes. Sie drangen auf gänzliche Umwand-
lung der Verwaltung, auf Zulassung der Bürgerlichen zu den höhern Aemtern
und Gerichtsstellen, auf Beseitigung der geheimen Polizei- und Beamtenwillkür,
auf Abänderung der Besteuerungsart, auf Sparsamkeit im Staatshaushalt und
auf Vernichtung aller den Ackerbau, Handel und Gewerbfleiß beengenden Schran-
ken, namentlich auf Milderung der strengen Zunftrechte, welche der individuellen
Thatigkeit und Betriebsamkeit hemmend entgegenstanden. Auf gleiche Weise
suchte der Kriegsminister St. Germain die bei der Armee obwaltenden Miß-
brauche zu heben.
Nach ihrem Plane sollten die bestehenden Steuern allmählich durch eine neue, auch den
Adel und Klerus umfaffende und auf einer Landesvermessung (Kataster) beruhende Be-
steucrungsweise verdrängt werden; die Abstellung der Frohnden und Loskaufung der Feu-
dallasten, die Aushebung der Zünfte, Innungen und Binnenzölle und die Einführung von
gleichem Maaß und Gewicht sollte die Hebung des Bürger- und Bauernstandes befördern;
Toleranz gegen die Protestanten, Beschränkung der Klöster, Verbesserung des Unterrichts-
wesens und Freigebung der Presse sollte eine zeitgemäße Volksaufklärung begründen und
die falsche Aufklärerei verdrängen; Verminderung oder Abstellung der Haftbriefe, deren
über 1000 jährlich ausgcgeben wurden, sollte der Beamtcnwillkür steuern und Vertrauen
zu der Regierung wecken; durch Beschränkung des Mißbrauchs bei den Pensionen, durch
Verminderung des Zinsfußes der Staatsschuld und durch Sparsamkeit sollte Ordnung in
die zerrütteten Finanzen eingeführt werden. Ein allgemeines Gesetzbuch sollte den Schluß-
stein bilden. Der Kriegsminister S t. G er main, ein durch ein wechselvolles Leben viel-
geprüfter Greis, wollte die Käuflichkeit der Ofsiciersstellen und den Vorrang der könig-
lichen Garden vor den übrigen Heerabtheilungen abschaffen.
Diese Vorschläge fanden so heftige Gegner theils an dem Adel und Hof
(mit Ausnahme des Königs) theils an den Parlamenten, besonders aber an der
Geistlichkeit (welche den ihren Jahreseinkünften drohenden Sturm durch eine
freiwillige Abgabe (<1on gratuit) abzuwenden suchte), daß sich die Minister
zur Niederlegung ihrer Stellen gezwungen sahen.
h. 707. o) M iß li ch e Fina nzl ag e. Nicht besser erging es dem Genfer
Banquiec Necker, der nach Türgot die Verwaltung der Finanzen übernahm.
Hatte er schon als Bürgerlicher und Protestant eine schwierige Stellung, so mach-
ten ihn die Mittel, die er zur Herstellung des zerrütteten Staatshaushaltes in
Anwendung brachte — Sparsamkeit und Beiziehung der Provinzialstande —
dem Hof und der Aristokratie vollends verhaßt und die Veröffentlichung
des finanziellen Zustandes (eompte i-enllu) bei Gelegenheit einer Anleihe
erregte solchen Unwillen gegen diese der öffentlichen Meinung dargebrachte Huldi-
gung, daß er seine Entlassung verlangen mußte. Sein Abgang befreite den Hof
von langweiliger Sparsamkeit, mehrte aber die Unordnung im Staatshaushalt.
Die Ausgaben überstiegen jedes Jahr die Einnahme um viele Millionen; Anlei-
hen konnten bei dem schwachen Kredit und der schon sehr hohen Staatsschuld nur
unter unvortheilhaften Bedingungen erlangt werden und brachten blos eine kurze
Erleichterung, ohne das Uebel zu heben. Der amerikanische Krieg verschlang die
Einkünfte von drei Jahren und schuf dem Thron außer der finanziellen Verlegen-
heit mächtige unbekannte Feinde durch Erweckung des Bürgerstolzes, des Republi-
kanersinns und des Freiheitsgefühls bei Hohen und Geringen. In dieser kritischen
Zeit übernahm der leichtsinnige, verschwenderische C a l o n n e die bedenkliche Fi-
nanzverwaltung. Er wich von Neckers Sparspstem ab, kam den Wünschen der
Königin und den Bedürfnissen der Prinzen und Homtte willig entgegen und
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