1. Bd. 2
- S. 370
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Die französische Revolution.
Verbindungen und Intriguen angeknüpft, als die Unbesonnenheit des Senats
einen willkommenen Anlaß zur allmählichen Vernichtung des republikanischen
Freistaats bot. Die im Rücken der französischen Armee entstandene Volksbewe-
gung erfüllte die venetianische Regierung mit der Hoffnung, die Feinde würden
den Streichen des rüstigen Landvolks erliegen; sie nährte daher die unter den
Bewohnern des venetianischen Festlandes berrschende Aufregung und rief dadurch
einen drohenden Ausstand hervor. Am 1/. April siel das ergrimmte Volk von
Verona und der Umgegend über die zurückgebliebenen Franzosen her, ermordete
sie und schonte nicht einmal der Kranken und Verwundeten in den Hospitälern.
Der feige Senat, in dem thörichten Glauben befangen, der Augenblick der
Rache sei gekommen, nahm im Vertrauen auf Oestreich eine kriegerische Haltung
an und billigte das Geschehene. Da traf plötzlich die Nachricht von dem Ab-
schluß des Friedens von Leoben ein und erzeugte in dem zaghaften Senat die
größte Bestürzung.
Statt dem kriegdrohenden Feinde muthig Widerstand zu leisten und mit
Ehren zu fallen, flehten die Rathsherren demüthig die Gnade des stolzen
Siegers an und willigten, unter Vorbehalt ihrer Pensionen, in die Ent-
lassung der tapfern Truppen (Slavonier) und in die Uebertragung der
Staatsgewalt an einen vom Volke neugewählten demokratischen Rath. Dies
war das Vorspiel zum gänzlichen Untergang des Freistaats, denn Napoleon
hatte die Absicht, Venedig auszuplündern und dann die ausgeleerte Stadt
als Entschädigung an Oestreich zu überlassen. Zu dem Ende zogen im Mai
die Franzosen in Venedig ein, führten die Schiffe und die Vorräthe des
Zeughauses weg, beraubten die Kirchen, Gallerien und Bibliotheken ihrer
schönsten Zierden und kostbarsten Schätze und hielten die Stadt so lange be-
setzt, bis die Unterhandlungen mit Oestreich so weit gediehen waren, daß der
11797.*' Friede von Campo Formio, wodurch Oberitalien als cisalpinische
Republik unter Frankreichs Herrschaft gerieth, zum Abschluß kam.
In diesem Frieden wurde das venetianische Gebiet nebst Dalmatien an Oestreich über-
lasten, wogegen dieses die, aus der östreichischen L o m b a r d e i, Mantua, Modena,
Ferrara, Bologna u. a. eroberten Ländcrstrecken und Städtegebietcn gebildete und
30. <$)ec nach Art der französischen Republik durch ein Directorium und zwei gesetzgebende Räthe
1797. verwaltete cisalpinische Republik anerkannte, in die Abtretung Belgiens an Frankreich
willigte und den entsetzten Herzog von Modena durch den Breis gau zu entschädigen
verhieß. Außerdem versprach Kaiser Franz, seine Truppen aus Mainz, Mannheim, Ehren-
breitstein, Ulm und andern Festungen zu ziehen, wodurch das deutsche Reich den französi-
schen Angriffen schutzlos preis gegeben ward. Mainz mußte sofort geräumt und damit das
ganze linke Rheinufer an Frankreich überlassen werden. Die geistlichen Kurfürsten und
andere zu Schaden gekommene Fürsten, Prälaten und Edelleute sollten auf dem rechten
!1 Decbr ^^inufer entschädigt und diese, so wie die übrigen, Deutschland betreffenden Punkte, aus
' dem Congreß von Rastatt regulirt werden. Diesen Eongrcß eröffnetenapoleon selbst,
aber das langwierige und verwickelte Friedcnsgeschäst vermochte seinen thatendürstcnden
Geist nicht lange zu fesseln. Er übertrug die Leitung einigen Diplomaten und begab sich
im Deccmber nach Paris, wo er vom Volke mit Jubel begrüßt und von der Dircctorial-
regierung, der er durch T al lepra nd vorgcstcllt ward, mit Ehren und Auszeichnung em-
pfangen wurde.