1. Bd. 2
- S. 374
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Die französische Revolution.
Waffen der französischen Armee erlag und als parlhenopaische Repu-
blik den Weisungen des Directoriums folgte, ftand Frankreich auf dem
Punkte, die ganze schöne Halbinsel, das Thatenziel so vieler französischen Kö-
nige und das Grab so manches tapfern Kriegers, unter seine Herrschaft zu
bringen.
Neapel. In Neapel befaßte sich nämlich der feige König Ferdinand Iv. (§. 638b.)
nur mit Jagd und Fischerei und lebte unter den Lazzaronis seiner Hauptstadt,
wahrend seine stolze, leidenschaftliche Gemahlin Karo lina, eine Tochter der
Maria Theresia, die Staatsgeschäfte führte und sich ganz von dem britischen Ge-
sandten und seiner Gemahlin, der berüchtigten Buhlerin Lady Hamilton, lei-
ten ließ. Erfüllt von tödtlichem Haffe gegen Frankreich und die königsmörderi-
schen Republikaner, vernahm sie mit der ungemeffensten Freude die Kunde von
einem neuen großen Bunde gegen Frankreich und zugleich das Schicksal der fran-
zösischen Flotte, die bei Abukir an der ägyptischen Küste von dem englischen
Admiral Nelson theils zerstört, theils entführt worden war. In ihrem Freuden-
taumel wartete Karoline die Zeit nicht ab, bis die alliirten Machte den Krieg an
Frankreich erklärt hatten, sondern bestimmte ihren Gemahl, ein allgemeines Auf-
gebot ergehen zu lassen und mit einem großen Heer ungeübter und vom untaug-
lichen östreichischen General Mack befehligter Truppen in den Kirchenstaat einzu-
rücken. Rom wurde besetzt und von den neapolitanischen Soldaten eben so miß-
2siils.'0' handelt, wie früher von den französischen. Nach einigen Tagen rückten jedoch die
zurückgedrängten republikanischen Truppen unter Championnet wieder vor, schlu-
gen die Neapolitaner in die Flucht, bemächtigten sich Roms und drangen in das
Gebiet ihrer Feinde ein. Bestürzt und rathlos flüchtete sich der neapolitanische
21. Dec. Hof nach Sicili^n, ließ seine eigene Kriegsflotte in Brand stecken und gab die
Hauptstadt und das ganze Land den Siegern Preis. Mack und dec königliche
Statthalter theilten die Rathlosigkeit ihrer Gebieter. Sie schloffen einen Ver-
trag, vermöge dessen sie die Festungen den Franzosen zu überliefern und zehn
Millionen durch Kriegsumlagen herbeizuschaffen versprachen. Dieß setzte das von
dem Klerus geleitete Volk in der Stadt und auf dem Land in Wuth. Schaaren
zerlumpten Gesindels (Lazzaroni), mit Bauern und Galeerensklaven verbunden,
bemächtigten sich Neapels und erzeugten solchen Schrecken, daß der königliche
Statthalter sich nach Sicilien flüchtete und Mack Schutz bei den Franzosen suchte
2i-23. und als Kriegsgefangener nach Paris wanderte. Ueber Blut und Leichen bahnte
Januar sich alsdann Cha mp ion net einen Weg in die hartnäckig vertheidigte Haupt-
stadt, nach deren Eroberung er im Einvernehmen mit den einheimischen, den ge-
23.Jan. bildeten Ständen angehörenden Republikanern, die parthenopäische Re-
publik mit einer der französischen Directorialregierung ähnlichen Verfaffung
einrichtete. Alle angesehenen, gebildeten und von vaterländischem Gefühle durch-
glühten Neapolitaner schloffen sich, erfreut über die Erlösung von dem langjäh-
rigen Drucke des königlichen und priesterlichen Despotismus, den Fremdlingen
an. Die kurze Frist, während welcher sie ihrem schönen Traum leben konnten, hin-
derte die edlen Schwärmer, ihrertäuschung bewußt zu werden. — Championnet
beleidigte die Directorialregierung, als er die neue Republik vor der Habsucht
ihrer Abgesandten schützen wollte; er mußte daher den Oberbefehl an Macdonald
abtreten und wurde zurückgerufen und verhaftet.
Schweiz. Um dieselbe Zeit wurde auch die Verfaffung der Schweiz geändert. —
In diesem Lande war schon seit lange die Herrschaft der einzelnen Kanlone in den
Händen einiger weniger Patrizierfamilien, die nicht nur ihren minder angesehc-