1. Bd. 2
- S. 404
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
404 Napoleon Bonaparte's Machtherrschaft.
Rathgeber verleitet, eine Versöhnung mit Napoleon zu wünschen schien, da
verlor der König alles Vertrauen auf einen glücklichen Ausgang. Man
hatte sich noch so wenig mit dem Gedanken eines Volkskriegs vertraut ge-
macht, daß die preußischen Beamten die den Franzosen Verderben drohen-
den Bewegungen der schlesischen Bürger und Bauern unterdrückten. Als
nun nach Wiedereröffnung des Kriegs die Franzosen am Jahrestag von Ma-
14. Juni.rengo über die Russen in der Schlacht von Friedland einen glanzenden
Sieg erfochten, Königsberg besetzten und die russische Grenze bedrohten, da
hielten es die verbündeten Monarchen für rathsam, nach einer persönlichen
7-9 J»li Zusammenkunft mit Napoleon auf dem Nie men (Memel) in den Frieden
von Tilsit zu willigen, so drückend auch die Bedingungen waren. Durch
diesen Frieden, bei dessen Abschluß der preußische Geschäftsführer Kalk-
reuth „mit beispiellosem Leichtsinn und Gedankenlosigkeit" zu Werke ging,
verlor Friedrich Wilhelm die größte Halste seiner Staaten; er mußte in die
Abtretung aller Lander zwischen Rhein und Elbe, in die Gründung eines
Herzogthums Warschau unter der Oberhoheit des Königs von Sachsen
und in die Erhebung Danzigs zu einem Freistaate willigen und die un-
erhörte Summe von 150 Millionen als Kriegsentschädigung genehmigen.
Die von Preußen abgetretenen Gebiete nebst Kurhessen, Braunschweig und
Süd-Hannover vereinigte Napoleon zu einem neuen Königreich Westfalen
mit der Hauptstadt Kassel und setzte daselbst seinen jüngsten Bruder Hie-
ronymus (Jerome) als König ein mit der Verpflichtung, in Magdeburg
eine Besatzung von 12,000 Mann zu unterhalten, dem Kaiser die Halste des
Ertrags der Kammergüter abzugeben und als Genosse des Rheinbundes sein
Truppencontingent zu den ferneren Kriegen zu stellen.
Schwer drückte die fremde Herrschaft auf die treuen Deutschen; aber durch
sie wurde eine neue Zeit vorbereitet, ein neuer Geist geweckt. Die Vortheile, die
den Franzosen aus ihrer blutigen Umwälzung geblieben, kamen auch den West-
falen zu gute, Gleichheit der Besteuerung, Abschaffung persönlicher Privilegien,
landstandische Verfassung, Gewerbsfreiheit und Rechtsgleichheit aller Staatsbür-
ger. Sie weckten das Selbstgefühl des Bürgerstandes und brachten ihm
seine Bestimmung, Lenker der Geschicke der neuen Zeit zu sein, zum Bewußtsein.
Auch auf die Völker des Rheinbundes (dem unterdessen noch der Kurfürst von
Würz bürg, die Fürsten von Sch w a r z b u rg , Anhalt, Waldeck und die
Herzöge von Mecklenburg und Oldenburg beigetreten) ging der neue Geist
über; die deutschen Krieger, die in fernen Landen des Kaisers siegreiche Schlach-
ten fochten, erlangten wieder den alten Kriegsmuth und Vertrauen auf eigne
Kraft. — Ebenso wurde auch für Preußen die Fremdherrschaft die Mutter
mancher heilsamen Einrichtung, wie hart auch die Geißel war, welche der er-
grimmte Sieger über das Land schwang. Bis zur gänzlichen Abtragung der
Kriegsentschädigungssumme, der Contributionen und der vielfachen andern Auf-
lagen, die zusammen die Summe von 500 Millionen Fr. überstiegen und von
dem unmenschlichen Oberintendanten D aru eingetrieben wurden, verblieben
französische von dem Lande zu unterhaltende Besatzungen in preußischen Festungen ;
selbst das im Tilsiter Frieden dem König gelassene Gebiet wurde durch Kriegs-