1. Bd. 2
- S. 440
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
440 Auflösung des Kaiserreichs und Begründung neuer Zustände.
Aber Mürat fühlte bald das Unnatürliche dieses Verfahrens; er führte den Krieg
lau und kam mit sich selbst in Zwiespalt; der Friede seines Innern war dahin
und der Argwohn seiner Feinde wach. Seinem geraden militärischen Sinn wi-
derstrebte ein solcher Verrath der gemeinschaftlichen Sache. Napoleons Landung
und Siegeszug war für ihn das Signal zu einer neuen Schilderhebung. Umsonst
warnte ihn der Kaiser vor übereilten Schritten; wie einst die Königin Karoline
konnte auch er nicht abwarten, wie sich die Dinge gestalten würden. Er erklärte
an Oestreich den Krieg und rief die Völker Italiens zu den Waffen, um die Ein-
»3^'vheit uni) Unabhängigkeit des schönen Apenninenlandes zu begründen. Die
'i8i5.^ S ch l a ch t von Tolentino entschied wider ihn; sein Heer löste sich auf und
wahrend er als Flüchtling nach dem südlichen Frankreich eilte, zogen die Oestrei-
cher in seine Hauptstadt ein und gaben den erledigten Thron dem frühern Besitzer
Ferdinand zurück. Mürats Gemahlin und Kinder fanden Schutz bei dem
Kaiser von Oestreich. Nach der Schlacht von Waterloo irrte Mürat eine Zeit-
lang an der französischen Südküste umher, nur mühsam sich vor den Nachstellun-
gen der Bourbonen verbergend. Endlich entkam er nach Corsika und unternahm
von da aus mit einigen Anhängern eine Landung in Calabrien, um das Volk
zum Aufstand gegen Ferdinand zu bewegen. Aber er wurde mit seinen wenigen
Begleitern leicht überwältigt und büßte sein Unternehmen mit dem Tode. Am
15. October 1815 wurde Joachim Mürat, der durch Kriegsmuth und Glück
vom Sohne eines Gastwirths zum König des schönsten Landes emporgestiegen, zu
Pizzo erschoffen. Er starb als tapferer Soldat mit Muth und Standhaftigkeit.
§. 777. Waterloo. Ueber eine halbe Million Krieger setzten die
europäischen Machte wider den geachteten Usurpator in Bewegung. Noch
ehe diese alle ausgezogen waren, rückte Napoleon, nach Eröffnung der
7.Zuni. Kammern in Paris, mit den Soldaten, die ihm von allen Seiten zm
strömten, in die Niederlande vor, um den dort versammelten Heeren
Blüchers und Wellingtons die Spitze zu bieten. Der Anfang des Feld-
i6.Juni.zugs war den Franzosen günstig. Bei Ligny wurden die Preußen nach dem
tapfersten Widerstand zurückgedrängt, wahrend Ney bei Qu aire b ras dem
aus Engländern, Holländern, Hannoveranern u.a. zusammengesetzten Heere
Wellingtons mit Erfolg widerstand. Dort wurde Blücher verwundet, hier
fand der ritterliche Herzog Wilhelm von Braunschweig (tz. 762.)
den Tod. Auch am entscheidenden Tage schwankte lange der Sieg. Erst als
die Preußen im rechten Momente dem bedrängten Heere Wellingtons zu
Hülfe kamen, indeß der von Napoleon zur Verfolgung Blüchers abgeschickte
Marfchall G rouchy sich vom Kampfplatz fern hielt, wurden die Franzosen,
trotz der heldenmüthigften Tapferkeit der alten Krieger, in der Schlacht von
i». Juni. Belle-Alliance oder Waterloo gänzlich besiegt. Furchtbar war der Kampf
auf der Höhe von Mont St. Jean, wornach die Franzosen die Schlacht
benennen, und die Worte, die man später dem General Cam b ro nn e in
den Mund gelegt hat: „Die Garde stirbt, aber ergiebt sich nicht!" blieben
bei der Nation in ehrendem Andenken, indeß die Schmach, die B o u r m o n t
durch seinen Verrath und Grouchy durch seine zweideutige Haltung auf sich
luden, durch keine Schutzreden getilgt werden konnte. — Bleich und verwirrt