1. Bd. 2
- S. 477
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
Neuere und neueste Literatur des Auslandes.
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jenes christlichen Freistaats an der albanesischen Küste mit tiefer Empfindung geschildert ist,
zu den herrlichsten Erzeugnissen des neuern Italiens.
Fern von diesen gefahrvollen politischen Bestrebungen, wenn auch nicht ohne
Freiheitssinn und Vaterlandsliebe, wandelte der größte italienische Dichter der
Gegenwart, Alessandro Manzoni von Mailand, seine literarische Bahn. Jn^Ua
seinen „geistlichen Liedern" (Inni sacri) zeigt er sich als gläubigen Katholiken
und christlichen Sänger im Geiste der Neuromantiker; in seinen Tragödien („der
Graf von Carmagnola" und „Adelgis") entzückt er durch die klassische Würde und
durch die Wahrheit des Gefühls sowie durch den lyrischen Schwung des von ihm
mit Glück wieder eingeführten Chors; seine Trauerode auf Napoleons Tod („der
fünfte Mai") fand so ungetheilte Anerkennung, daß selbst Göthe sie ins Deutsche
übersetzte; aber am bekanntesten und verbreitetsten ist sein der historischen Ro-
mandichtung Walter Scott's nachgebildeter Roman „die Verlobten" (i pro-
messi sposi), eine lebendige, wenn gleich etwas breite und gelehrte Schilderung
der kirchlichen, politischen und gesellschaftlichen Zustande des obern Italiens unter
der spanischen Herrschaft. Dieses Werk rief eine Fluth von Nachahmungen her-
vor, so daß der historische Roman in der neuesten Literatur Italiens die erste
Stelle einnimmt. Rosini's „Nonne von Monza" kann als eine Fortsetzung der
„Verlobten" angesehen werden. Erst Guerrazzi von Livorno nahm in seiner
„Belagerung von Florenz" die neueste Zeit und die Bestrebungen und Kampfe des
„jungen Italiens" zur Unterlage.
Die Geschichtschreibung fand im 18. und 19. Jahrhundert trotz dergeschicht-
Ungunst der Verhältnisse in Italien einige würdige Vertreter, so gefahrvoll auch Ung~
die Bahn eines wahrheitliebenden und vaterländischen Historikers war. Lodov.
Ant. Muratori legte durch seine fleißige und gewissenhafte Sammlung der^^H"
mittelalterlichen Chronisten und Geschichtschreiber den Grund zu einer umfassen- i750,
den Gesammtgeschichte Italiens und trat dann in seinen „Annalen von Italien"
in Guicciardini's Fußstapsen (§. 553). Sein Zeitgenosse, der gelehrte Neapoli- @j¡mnon{
tañer Giann one zog sich durch seine „Geschichte des Königreichs Neapel", 1676 —
worin er mit Freimuth das lichtscheue Treiben der Priesterschaft und den von Rom 174s-
ausgehenden Geistesdruck in lebendigen Zügen darstellte, so sehr den Haß und die
Verfolgung der Hierarchie zu, daß er- sich nur durch die Flucht nach dem Aus-
lande retten konnte, und als er nach langen Jahren den vaterländischen Boden
wieder zu betreten wagte, siel er in die Hände der wachsamen Inquisition, dietirabos-
ihn in Turin im Kerker sterben ließ. Girolamo Tirados chi von Bergamo 173^j_94
stellte in seiner gründlichen „Geschichte der italienischen Literatur" das geistige
Leben seiner Landsleute von den Anfängen wissenschaftlicher Bildung bis zum
Jahr 1700 mit umfassender Gelehrsamkeit und Wahrheit dar. Die Zeit der Re-
volution und der Napoleonischen Herrschaft in Italien fand einen kenntnißreichen
und sreimüthigen Bearbeiter in dem Piemontesen Carlo Botta (storia d'italia 1766 —
dal 1789 —1814), einem Manne, der durch seine Stellung als Staatsmann in 183/-
Piemont und als Mitglied des gesetzgebenden Körpers in Paris einen tiefem Blick
in die Geschicke der Staaten und in den Gang der öffentlichen Dinge thun konnte
und der daher auch vorzugsweise befähigt war, als Fortsetzer Guicciardini's auf-
zutreten und die Geschichte Italiens vom Ende des 15. Jahrhunderts bis aus
seine Zeit darzustellen. Botta's Zeit- und Gesinnungsgenosse war der Neapolita- Colletta
ner P. Co l letta, ein in die Geschicke seines Vaterlandes unter der französischen
Herrschaft wie unter Ferdinand tief verflochtener Mann von großen Kenntnissen
im Kriegs- und Artilleriewesen. Nach einem thatenreichen Leben wurde ec in
Folge der Revolution von 1820, trotz seiner wackern Haltung als königlicher