1. Bd. 2
- S. 490
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Neuere und neueste Literatur des Auslandes.
der englischen Verfassung und der durch die Reformation und Revolution bewirk-
ten Umgestaltungen und schrieb zugleich eine Geschichte der europäischen Staaten
und Literatur im Mittelalter; Nap i er verfaßte ein werthvolles und gründ-
liches Buch über den peninsularischen Krieg, Tytler eine umfangreiche
Geschichtevon Schottland; Aliso n widmete seine Feder der Darstellung
Carlple europäischen Verhältnisse während der Zeit der französischen Revolution,
1795— welche letztere der geistvolle Kritiker Thom. Carlyle in ihren hervortretenden
1850' Erscheinungen als ergreifende Visionen lebendig dargestellt hat. Derselbe Carlyle
war der größte Kenner der deutschen Literatur, die er durch gewandte Uebersetzun-
gen (Wilhelm Meister u. a.) und durch Biographien („Schillers Leben") seinen
Landsleuten zu vermitteln bemüht war. I. Dunlops Werke über Literatur-
geschichte, Lord B roug ha ms Biographien berühmter Staatsmännerundeine
große Menge von Schriften über einzelne Theile der einheimischen Geschichte
(Palgrave, d'israeli, Godwin), sowie die vielen Sammelwerke von Ur-
kunden und Schriften früherer Zeiten geben Zeugniß von der großen Regsamkeit
der englischen Literatoren auf dem Gebiete der Geschichtschreibung und von dem
Interesse der Nation für ihre große Vergangenheit. Unter allen, die bisher ihre
Muße der Erforschung rind Darstellung geschichtlicher Begebenheiten und des
Macaulatz historischen Nationallebens gewidmet haben, nimmt der als Staatsmann und
gcb. 1800. Redner, als geistreicher Kritiker und als Dichter berühmte Th. B. M a cau la y
den ersten Rang ein durchseine noch unvollendete „Geschichte von England",
die als Einleitung die Entwicklungsgeschichte der englischen Verfassung in über-
sichtlicher Darstellung vorausschickt und dann mit dem Regierungsantritt Jacobs Ii.
die historische Erzählung beginnt. Mit gründlicher Erforschung der Verhältnisse
und mit tiefer Einsicht in die Natur und Eigenthümlichkeiten der handelnden
Personen verbindet Macaulay einen unparteiischen durch Philosophie und humane
Studien geweckten Sinn für Gerechtigkeit und historische Wahrheit, ein freimü-
thiges Urtheil, eine klare, lichtvolle Darstellung und eine edle, männlich kräftige
Sprache. Auch seine kleineren historischen Schriften enthalten viel Treffliches.
Eharcckter (7 Frankreich (vgl. §. 627—631. §. 671). In keinem Lande ist die
Literatur.' Literatur so innig mit dem öffentlichen Leben verflochten und übt solchen Einfluß auf
die Sitten und Denkweise als in Frankreich. Sie beherrscht die Gesellschaft,
drängt sich in die Politik und bestimmt die religiösen und kirchlichen Ansichten der
gebildeten Stände. Die französische Literatur hat daher auch nicht die selbstän-
dige Stellung, nicht das freie Wachsthum, nicht die unbefangene, harmlose
Selbstgenügsamkeit anderer Länder. Sie ist bald Herrscherin, bald Dienerin der
Politik und Religion und hat stets die innigste Beziehung zu den öffentlichen Zu-
ständen. Nicht zufrieden mit dem geistigen Schaffen sucht sie die Ideen, Ansich-
ten und Grundsätze auch zu verwirklichen und im praktischen Leben zur Geltung
zu bringen. In den letzten Zeiten des alten Königthums theilte sie den allgemei-
nen Charakter der Auflösung, der Verneinung, des sittlichen Verfalls; in den
Tagen der Republik stimmte sie den Ton wilder Freiheitsbegeisterung an und
diente dem Convent als Werkzeug zur Begründung seiner welterschütternden Maß-
regeln; zur Kaiserzeit stieß sie in die Posaune des Ruhms und diente dem neuen
Machthaber mit Schmeichelworten und Prunkreden; unter der Restauration
erlangte die neue Romantik mit ihrer religiösen Sentimentalität die Herrschaft
und stützte und förderte das System der christlichen Gläubigkeit und Legitimität.
Neben allen diesen Richtungen ging jedoch gleichzeitig eine kräftige Opposition
her, die bald mehr bald weniger geschickt und erfolgreich gegen die herrschende
Richtung Widerspruch einlegte und dadurch eine gefährliche Einseitigkeit verhin-