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1. Bd. 2 - S. 515

1854 - Leipzig : Engelmann
Pauperismus und Social-Reformm. 515 mählich Taglöhner, die viel nachtheiliger gestellt waren, als früher die Leibeigenen, denen der durch Feudalgesetze und Pietätsverhaltnisse gebundene Gutsherr in Zei- ten der Noch oder bei Krankheiten und Unglücksfällen Hülse und Unterstützung gewähren mußte, während jetzt der selbständige Taglöhner lediglich auf die eigenen Kräfte angewiesen war und für sein Aeckerchen und seine Lehmhütte noch Abgaben an den Staat zu leisten und zu den Gemeindelasten beizutragen hatte, nicht zu ge- denken der Zehnten und Feudalabgaben, die in manchen Ländern noch dazu kamen. Die Noch trieb zum Schuldenmachen; siel der Bauer Wucherern und Juden in die Hände, so war er in wenigen Jahren um sein Eigenthum; im besten Fall schleppte er sein mühe- und sorgenvolles Leben bis zu einem mäßigen Alter und hinterließ dann eine darbende Familie. Noch schlimmer gestalteten sich die Zustände in den Städten. Die 'Aufhebung aller beschränkenden Zunft- und Jnnungsverhältnisse vermehrte den freien Handwerker- und Gewerbsstand der- gestalt, daß eine übermäßige Concurren; eintrat, die verbunden mit der größeren Wohlfeilheit der Fabrikerzeugnisse, den Absatz beeinträchtigte oder den Preis der Arbeit allzusehr herabdrückte und somit bewirkte, daß das Handwerk die Familie nicht meher ernährte. Die geringen Handwerker und die große Menge selbständig und frei gewordener Gesellen traten daher in die Dienste reicher Fabrikherren, deren Zahl mit jedem Tag sich mehrte, da bei der zunehmenden Herrschaft des Geldes und der Verminderung der Standes - und grundherrlichen Rechte, die höhern Stände ihr Vermögen vorzugsweise solchen Gewinn bringenden Unter- nehmungen zuwendeten. Der Fabrikarbeiter, der von seinem täglichen Lohn sich und sehr häufig eine Familie ernähren mußte, war nicht viel mehr als der Sclave des Fabrikherrn, dem er politisch gleichstand; kein Gesetz schützte ihn vor der will- kürlichen Entlassung; nahmen seine physischen Kräfte ab, so minderte sich sein Lohn. Das Kapital erlangte eine Herrschaft und eine despotische Macht, wie sie kein bevorrechteter Stand früher besessen. Dazu kam, daß durch das aus eine schwindelnde Höhe getriebene Creditwesen der Werth des Geldes sich sehr vermin- derte, der Lohn des Taglöhners und Arbeiters mit dem Gewinn des Handels- und Fabrikherrn in keinem Verhältnis stand und der Preis der Lebensbedürfnisse und der gesteigerte Luxus die Kluft zwischen Reichen und Armen, zwischen den be- vorzugten Ständen, die sich im Besitz von Kapital, Bildung und Talent befan- den und dem Arbeiterstande, der sich nur aus die physische Kraft stützte, immer ausfallender zu Tage kehrte. Diese socialen Mißstände nahmen während der lan- gen Friedensjahre, die das Gebiet der Industrie, die Macht der Bildung und die Zahl der Bevölkerung ins Unendliche erweiterten und steigerten, bedeutend zu und mehrten die Klagen über zunehmende Verarmung (Pauperismus). Der Zu- stand der Freiheit und Gleichheit, für dessen Begründung Ströme von Blut geflossen, schien der Menschheit ferner als je gerückt. Was hat die Welt gewonnen, so fragte man, daß der dritte Stand, die Bourgeoisie, dem Adel und Klerus gleichberechtigt zur Seite trat, wenn nun diese nämliche Bourgeoisie, mit einem Theil des Adels verschmolzen, den vierten Stand der besitzlosen Arbeiter (Proletarier) in größerer Knechtschaft hält, als er selbst sich je befun- den^ Ist das Recht der Gleichheit ein begrenztes? Hat die Revolution der Kirche ihre Besitzungen, dem Klerus den Zehnten, dem Adel die grundherrlichen Einkünfte, die sie seit vielen Jahrhunderten als Eigenthum besessen, nur deshalb entrissen, damit das Eigenthum des Mittelstandes vermehrt werde und die arbei- tende Klasse in größere Abhängigkeit und Dienstbarkeit gerathe? So lange die kriegerischen Großthaten und die mächtigen geschichtlichen Ereignisse der Revolu- tionszeit und der Napoleonischen Herrschaft die Aufmerksamkeit der Völker fessel- 33*
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