1. Bd. 2
- S. 522
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Die Zeit des französischen Bürgeckönigthums.
der Iesuitenanstalten durchsetzten, nahm die republikanische Literatur einen auf-
lösenden Charakter an und suchte an die Stelle der großen sittlichen Vereine von
Staat und Kirche künstliche Genossenschaften mit weltlichen socialen Zwecken
zu setzen und die himmlische Religion durch eine irdische Glückseligkeitslehre
(Eudämonismus) zu verdrängen.
Belgien. In Belgien hatte der ultramontane Klerus gegen die holländische Regierung, welche
die Jesuiten vertrieben und dem Fanatismus der Geistlichkeit durch eine freisinnige Erzie-
hung entgegenarbeitete, mit den Liberalen gemeine Sache gemacht und dadurch die Tren-
nung der beiden Königreiche herbeigeführt. Bald aber merkten die Liberalen, mit welchem
gefährlichen Bundesgenossen sie sich eingelassen, als der belgische Klerus die Freiheit des
Unterrichts sich zu Nutze machte, um die Erziehung der Jugend nach seinen Grundsätzen
einzurichten und somit die geistige Lebensthätigkeit der künftigen Geschlechter nach seinem
Sinne zu bestimmen, und als Bischöfe ihre Macht zur Ausschließung freisinniger Geistli-
chen von Kirchenämtern mißbrauchten und den als Freimaurer bezeichneten aufgeklär-
ten Liberalen die Absolution versagten. — Als Gegengewicht gegen das päpstliche Colle-
gium in Löwen gründeten die Liberalen aus eigenen Mitteln die freie Universität zu
Brüssel. Aber trotz des protestantischen Königs und der freien Institutionen des Lan-
des hat die klerikale Partei meistens die Oberhand.
Jrlnnd. In Irland verlangte ein verzweifelndes Volk, welches durch die Unbarmherzigkeit
Altenglands und durch die eigene Schlaffheit und Arbeitscheu in einen Zustand gerathen,
daß es „im eigenen Vaterlande bei einer ausländischen Hierarchie und Aristokratie zur
Miethe wohnt und jeden Winter zu verhungern fürchtet," mit Drohen Erlösung aus sei-
nem Elend durch kirchliche und politische Reformen. Im Bunde mit der Geistlichkeit hielt
O'connel, „der große Agitator", das katholische Volk in steter Aufregung, um den For-
derungen durch den gedrohten Widerruf dervereinigungsakte (Repeal) Nach-
druck zu geben, während der Dominikaner-Mönch Mathew durch einen Mäßigkeits-
verein (teetotallers) Nüchternheit und eine aus Selbstachtung gegründete Sittlichkeit zu
erzeugen bemüht war. Aber wie sehr auch die Wighs im englischen Ministerium auf eine
Reform der irischen Kirchenzustände drangen, sie konnten nur eine Umwandlung des Kir-
chenzehnten in einen ermäßigten Grundzins durchsetzen; jede weitere Reform scheiterte an
der Engherzigkeit und dem Eifer der Hochkirchlichen. „Zur Versöhnung Irlands brachte
1845, das Ministerium P e e l die V e rm ä ch tn i ß b i l l ein, welche der katholischen Kirche, doch
mit Ausnahme der Orden, gestattet, unter eigenem Namen Eigenthum zu erwerben, und
setzte für M a y n o o t h , das Seminar zur Erziehung des katholischen Klerus, eine Dota-
tion durch, nachdem bereits mit Regierungsunterstützung Volksschulen errichtet waren,
welche den Unterschied der Kirchen zu umgehen suchten." —
Deutsch- tz. 814. D eutschlan d. Die größten religiösen Kämpfe kamen in
an ' Deutschland zum Vorschein, theils wegen der Vorliebe des Volks zum philo-
sophischen und grübelnden Denken, theils wegen des Mangels an einem großarti-
gen und freien politischen Leben. Die strengkirchliche (ultramontane) Partei, die
ihren Hauptsitz in Bayern, ihren Halt an Oestreich und an den Rh ei «ge-
gen den hat, ist „im Gefühl, daß der Zeitgeist ihr tödtlich sei, in einen Kampf
wider alle geistige Freiheit und unter den Fluch desselben gerathen." Als Gegen-
mittel wider die Aufklärungssucht der Liberalen förderten die Ultramontanen im
Volk Obscurantismus, Aberglauben und phantastisches Wunderwesen, setzten der
kecken und auflösenden Philosophie der jünger« Geschlechter die durch poetische
und künstlerische Verherrlichung gehobene Gläubigkeit des Mittelalters entgegen
und verwarfen, um die katholische Einheit der protestantischen Zerrissenheit recht
anschaulich gegenüberstellen zu können, jede Reform, jede Neuerung, jede Abän-