1. Bd. 2
- S. 558
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
Mai
1832.
3. April
1833.
558 Die Zeit des französischen Bürgerkönigthums.
nelles Staatswesen, für Volksfreiheit, für „Deutschlands Wiedergeburt". Die
aus der französischen Zeit geretteten freieren Institutionen des Landes gestatteten
eine größere Wirksamkeit, eine ungehindertere Kraftentfaltung. Die Folge war
eine mächtige, durch eingeborene und eingewanderte Demagogen und Zeitungs-
schreiber genährte Aufregung, die ihren Höhepunkt in dem am 27. Mai 1832
auf der Hamb ach er Schloßruine bei Neustadt a. d. Haardt abgehaltencn
Constitutions fest erreichte. Hier wurden von einer aus allen Theilen des
südwestlichen Deutschlands zusammengeströmten Volksmenge, wobei sich auch
Franzosen und Polen befanden, feurige Reden voll „wogenden Freiheitsdranges"
gehalten, die „Tyrannei" der Fürsten, die „Servilitat" und „Despotie" der Beam-
ten, die Brutalität des Militärs, der Aristokratismus der Vornehmen mit hoch-
tönenden Worten und schwungvollen Redensarten bekämpft, besiegt, vernichtet;
man geberdete sich, als ob der Feind'schon bezwungen sei, als ob die den Män-
nern der französischen Revolutionszeit abgelernten begeisterten Reden, glühenden
Phrasen, heftigen Invectiven Throne umzustürzen, Heere zu überwältigen im
Stande wären. Es lag viele Uebertreibung, viel Unverstand, viel hohles, eitles
Wesen in dem Lärmen und Treiben, in dem Reden und Thun dieser Vorfechter
der Freiheit, aber viele ihrer Klagen waren gerecht und das Regierungssystem, das
sie bekämpften, trug manche Gebrechen. Eine kräftige, die Interessen und Wohl-
fahrt des Gesammtvolks beachtende Obrigkeit hätte die billigen Wünsche und
Forderungen durch zeitgemäße Reformen befriedigen, dabei aber immerhin die
Ungebührlichkeiten und Uebertreibungen energisch zurückweisen können. Statt
aber diesen Weg der Vermittelung und Versöhnung einzuschlagen, vereinigten sich
alle Regierungen, unter der Aegide von Preußen und Oestreich, zu einem System
des Widerstandes und der unbedingten Versagung, ohne zu bedenken, daß die
Mißstände, über die keine Klagen laut werden dürfen, nichtsdestoweniger vor-
handen sind, und daß Verstimmung und Unzufriedenheit unter Druck und Despo-
tismus unkrautartig zunimmt. Freilich kamen im Laufe dieses und des nächsten
Jahres noch mehrere Umstände zusammen, die den Zorn der auf die drei östlichen
Großmächte gestützten und vor Frankreichs Angriffen sichern Regierungen reizen
mußten: Eine heftige, mit Talent, Geschicklichkeit und Kraft geführte Opposition,
die theils in den süddeutschen Kammern, theils in den zahlreichen Journalen und
Flugschriften, welche trotz des gesteigerten Preßzwangs in wuchernder Fülle auf-
tauchten , sich kund gab; geheime Verbindungen, die durch eine weitverzweigte
Propaganda im Einverständniß gehalten, durch Verschwörungen und unbeson-
nene Aufstände die behagliche Ruhe des „Polizeistaats" störten und vor Allem
das Wiedererwachen der burschenschastlichen Verbrüderungen und des Demagogen-
wesens auf den Universitäten , das zu dem thörichten und frevelhaften F ra n k-
furter Attentat führte. Von der Ansicht ausgehend, daß auf dem fried-
lichen Wege des Verständnisses und des geistigen Kampfes keine durchgreifende
Staatsreform erzielt werde, beschlossen nämlich einige jugendliche Brauseköpfe,
Studenten, Literaten, politische Flüchtlinge, und schwärmende Freiheitssreunde
einen gewaltsamen Umsturz zu versuchen und mit Frankfurt, dem Sitz des Bun-
destages, den Anfang zu machen. Im Vertrauen aus einige Mitverschworne der
Stadt und getäuscht durch lügenhafte Vorspiegelungen gewissenloser Verführer,
die ihnen zahlreiche Zuzüge aus der Ferne und die sichere Hülfe des umwohnenden
Landvolks in Aussicht stellten, wagten die Verblendeten einen bewaffneten Angriff
auf die Eonstabler-Wache, tödteten einige Soldaten und riefen das Volk zur
Freiheit auf. Als aber die Frankfurter Bürgerschaft sich von ihrem Freiheitsruf
nicht begeistern ließ und die erwarteten Zuzüge ausblieben, wurden sie von dem