1. Bd. 2
- S. 574
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Die jüngsten Revolutionsstürme.
1834.
20. San.
1841.
1843.
Mär;
1845.
Oktober
1846.
1845.
Baden beschloß die Partei der Bewegung, daß die Kirche unter die Aufsicht des
Staats gestellt, freie Nationalerziehung eingeführt und die Klöster zu gemein-
nützigen frommen Zwecken beigezogen werden sollten. Ungeachtet der Protestation
der römischen Partei nahmen nun mehrere gemischte Kantone, namentlich die
radicale Regierung des Aargau, die Verwaltung des Klosterguts in die eigene
Hand, und als deshalb in letzterm Kanton die katholische Partei einen Aufstand
gegen die im Sinne der Badener Artikel abgeänderte Verfastung erhob, benutzte
die Regierung diese Gelegenheit, um die acht Klöster, darunter das reiche Muri,
die Stiftung des Hauses Habsburg, „als Sammelplatz des Aufruhrs", durch
einen Beschluß des großen Raths „für allgemeine Zwecke des Unterrichts und der
Wohlthätigkeit" in Beschlag zu nehmen. Ohne Rücksicht auf die Protestationen
der katholischen Kantone und Oestreichs gegen diesen kirchenräuberischen Akt zu
nehmen, blieb die Aargauische Regierung im Besitz des Klosterguts und erlangte
unter der angebotenen Bedingung der Wiederherstellung dreier Frauenklöster die
Zustimmung und Bestätigung der Tagsatzung. Von dem an war die Schweiz in
zwei Heerlager gespalten, in Radicale und Conservative. Den Kern der
letztem bildeten die sieben katholischen Kantone: die drei Waldstatte Schwyz,
Uri, Unterwalden, sodann Luzern (wo seit der unter dem Eindruck der
aargauischen Klosteraufhebung vorgenommenen Verfasisungs-Revision (1841) die
ultramontane Partei mit Hülfe des Landvolks über die früher herrschenden Libe-
ralen der Sieg davon getragen), Zug, Freiburg und Wallis (in welchem
letzteren Kanton die radicale Partei des untern Rhonethales von der Priester-
partei in einem mörderischen Treffen überwältigt und dann die Regierung im
Sinne der Sieger eingerichtet worden war). Bei der wachsenden Parteiwuth
und Meinungsspaltung glaubten die Luzerner Conservativen ihrer Sache für alle
Zukunft den Sieg zu verschaffen, wenn sie die Jesuiten zur Leitung des Jugend-
unterrichts in den Kanton beriefen. Nach harten Kämpfen wurde der Antrag
durch die überwiegenden Stimmen des Landvolks durchgesetzt. Da suchte die
freisinnige Partei der Luzerner Hülfe bei ihren Gesi'nnungsgcnoffen anderer Kan-
tone, um durch einen bewaffneten Handstreich den Jesuiten und ihren Anhängern
die Herrschaft zu entreißen. Aber der übel geleitete Freischaarenzug wurde durch
die Rathlosigkeit der Führer und die „Banner der Urkantone" auseinander-
gesprengt, worauf die rachsüchtige Regierung in Luzern ein Regiment des Schreckens
errichtete und durch strenge Justiz jeden Gegensatz niederschlug. Nun gestaltete
sich der Kampf zu einem leidenschaftlichen Ringen zwischen Jesuitismus und Ra-
dicalismus. Die sieben katholischen Kantone forderten Bestrafung der Frei-
schaaren, gesetzlichen Schutz gegen ähnliche Unternehmungen und Wiederherstel-
lung der aargauer Klöster und schloffen, als ihrem Verlangen nicht mit der ge-
wünschten Bereitwilligkeit entsprochen wurde, einen „Sonderbund" zu gegen-
seitiger Abwehr äußerer Ueberfälle und innerer Unruhen. Dagegen suchten die
Radicalen durch einen Handstreich („Putsch") die Regierungen der noch übrigen
conservativen Kantone zu stürzen, um auf der nächsten Tagsatzung der Majorität
sicher zu sein. In Genf und Waadt glückte der Anschlag. Die ehrwürdige
Stadt Calvins, die auf dem Wiener Congreß ein unheilbringendes Geschenk in
einigen katholischen Ortschaften erhalten hatte, gerieth, unter Mitwirkung der
letztem, in die Gewalt einer ultraradicalen Partei; nachdem schon vorher im
Waadtland der Radicalismus durch die Thätigkeit des Staatsrath D ruey über
die gemäßigt-aristokratische Regierung und die mit ihr verbundenen Methodi-
sten (§. 814.) gesiegt hatte. Dieser Schlag und seine moralische Rückwirkung
auf die andern sicherte den Radicalen, den mächtigen Kanton Bern an der