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1. Bd. 2 - S. 581

1854 - Leipzig : Engelmann
Zug der Revolution durch Europa. 581 tiefes Mißtrauen erweckt. Man weigerte hie und da die Annahme des Papier- geldes; Handel und Gewerbthatigkeit geriethen in Stocken; die Zahl unbeschäf- tigter und darbender Arbeiter mehrte sich. Unter diesen Umstanden hatte das ju- gendliche überstürzende Beginnen der Wiener Studenten einen überraschenden Erfolg. Durch Petitionen an die Stande, an die Minister, an den Kaiser, in lärmender Weise verfaßt und überreicht, und durch stürmische Versammlungen brachten sie die Wiener Bevölkerung in eine solche Aufregung, daß, als das mit Schonung und Milde handelnde Militär an einigen Orten zurückgedrangt und die Studenten bewaffnet wurden, Fürst Metternich seine hohe Stelle niederlegte 13-März. und als landesflüchtiger Greis eine Zufluchtsstätte in England suchte. Plün- derungen, Zerstörungen und rohe Pöbelexcesse kündigten die Auflösung der alten Ordnung, den Anfang eines gesetzlosen Zustandes an. Die allgemeine Be- waffnung, die nunmehr gestaltet wurde, erhöhte die Unsicherheit. Jetzt zeigte sich das Metternichsche System in seinen traurigsten Folgen. Ein in der größten politischen Unwiffenheit gehaltenes, für ein freies Staatsleben ganz unreifes Volk forderte und erlangte Freiheiten und Rechte, die es nicht zu gebrauchen ver- stand. Die Preßfreiheit erzeugte in Kurzem eine revolutionäre Tageslitera- tur, die, aus aufreizenden Blattern und Maueranschlagen bestehend, alle Ver- hältnisse erschütterte und die Neugestaltung des Staats auf dem Wege der Re- form und Entwickelung störte; das freie Vereinsrecht wurde zu lärmenden Volksversammlungen und zur Bildung demokratischer Verbindungen benutzt, welche die Thatigkeit des neuen aus volksthümlichen Männern zusammengesetzten Ministerraths lahmten. Die Studenten und eine in der Eile gebildete Bür- gerwehr führten das Regiment in der Stadt; beredte Demokratenführer, aus allen Gegenden in Wien versammelt, übten mit Hülfe der zahlreichen, unbe- schäftigten und vermöge ihrer Natur und ihrer Unwissenheit lenksamen Arbeiter, eine große Macht und hielten den Zustand der Revolution aufrecht. Unter diesen Umstanden siel es den Demagogen nicht schwer, die Unzufriedenheit des Volks mit dem ministeriellen Verfassungsentwurf, der einer nach Standen geord- neten Reichsversammlung zur Berathung vorgelegt werden sollte, zu einem neuen Aufstand und Slraßenkampf zu steigern und von der Regierung die Ein-^-M"'- berufung eines constituirenden Reichstags mit einer einzigen Kam- mer zu erzwingen, zu welcher von allen der östreichischen Gefammtmonarchie an- gehörigen Staaten und Volksstammen die Abgeordneten nach dem allgemei- ne n S t i m m r e ch t e frei gewählt und zur Entwerfung einer neuen Reichsver- fassung nach Wien einberufen werden sollten. Der Kaiser, beunruhigt über diese Vorgänge und durch die aufregenden Auftritte in seiner Gesundheit geschwächt, begab sich auf den Rath einer reagirenden Partei mit seiner nächsten Umgebung nach Jnsbruck. Dieser unerwartete Schritt erfüllte die Hauptstadt m't Be-^.Mai. stürzung und bewirkte einen kurzen Umschlag in der Gesinnung. Als aber die Regierung die veränderte Stimmung zur Auflösung der Studentenle- gion benutzen wollte und die Aula mit Militär umstellte, erfolgte die dritte Er-26. Mai. Hebung, drohender und gewaltiger als alle vorhergehenden. Tag und Nacht war die Stadt durch Barrikaden abgesperrt und mit Wachfeuern erleuchtet. Endlich vereinigte man sich dahin, daß das Militär abziehen und ein aus Bürgern, Na- tionalgarden und Studenten gebildeter Sicherheitsausschuß die Ordnung in der Stadt erhalten sollte, worauf die Aula in aller Stille geschlossen ward. Bald nachher wurde die Nationalversammlung von Erzherzog I o h a n n 22. Juli, im Namen des abwesenden Kaisers eröffnet; da jedoch bei der in der Hauptstadt herrschenden Aufregung eine ruhige Berathung und eine gesetzliche Ordnung nicht
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