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1. Bd. 2 - S. 604

1854 - Leipzig : Engelmann
604 Die jüngsten Revolutionsstürme. in einigen Punkten wollte es besonnene, konservative Männer bedünken, als sei den ungestümen Forderungen des Zeitgeistes allzu viel Rechnung getragen. Man hatte sich bei der Anfertigung dem Entwürfe der Verfastungscommission in der preußischen Nationalversammlung eng angeschlosien und theils die wichtigsten Be- schlüsse des aufgelös'ten Reichstags, theils die Bestimmungen der Frankfurter Versammlung über die Grundrechte darin ausgenommen und überdies den Weg einer Verständigung offen gehalten. Beide Kammern sollten durch Volkswahl vermittelst Wahlmanner (indirektes Wahlverfahren) gebildet werden, nur daß für die erste eine bestimmte Steuersumme (Census) und ein höheres Alter festgesetzt war, indeß für die zweite das Wahlrecht unbeschrankt sein sollte. Darum ver- söhnte sich auch die öffentliche Meinung schnell mit der dargebotenen Verfassung; und selbst die Demokraten fügten sich in die Verhältnisse, die sich über Erwarten günstig für sie gestaltet hatten, und rüsteten sich zum neuen Wahlkampf. Die preußische Krone hatte ihre Kraft gezeigt; der Sieg war erfochten, aber groß- müthig gewahrte die Regierung die vom Volke angestrebte Freiheit im reichsten Maaße als freiwillige Gabe. So ging unter freudigen Hoffnungen für Preußen das verhängnisvolle Jahr 1848 zu Ende. §. 863. 3. D e r östreichische Reichstag und die Wiener Zu- stande. In den Maitagen 1848, als Kaifer Ferdinand noch in Innsbruck weilte (§. 849.), begannen die Wahlen zum östreichischen constituirenden Reichs- tag nach dem allgemeinen Stimmrecht und im Juli konnten die Sitzungen eröffnet werden. Die Versammlung bot einen merkwürdigen Anblick. Abgeordnete, den verschiedensten Volksstammen und Standen angehörend, darunter 32 galizische Bauern in leinenen oder härenen, an die Steppe erinnernden Kitteln, die nicht lesen und schreiben konnten und die deutsche Sprache nicht verstanden, waren zur Anfertigung einer gemeinsamen Reichsverfassung vereinigt, von deren Beschaffen- heit nur Wenige einen klaren Begriff hatten. Wie sollte sich eine Versammlung, in der nicht nur politische Meinungsverschiedenheit, sondern auch nationale In- teressen und tiesgewurzelter Stammeshaß weite Spaltungen schufen, zu einem Verfassungswerk einigen, das für alle Landestheile der östreichischen Monarchie, so verschiedenartig an Abstammung, Einrichtungen und Bedürfnissen, geeignet gewesen wäre? Daß ein solches Unternehmen scheitern mußte, lag in der Natur der Sache, waren auch die Zustande der Hauptstadt und des Reichs minder schwierig und verwirrt gewesen als sie in der That waren. Italien im offenen Krieg, Böhmen und Ungarn im Aufstand, die Grenzlander leidenschaftlich auf- geregt, Wien von Anarchisten durchwühlt; der Staatshaushalt in Verwirrung und die Finanznoth fo groß, daß jede Ausfuhr baaren Geldes monatelang unter- sagt und Papiergeld zu den geringsten Werthen ausgegeben werden mußte. Wie konnte unter solchen Umstanden ein Werk gedeihen, zu dem Ruhe, Ordnung und Einsicht gehörte? Auch kam die Versammlung eigentlich nicht zur Vornahme ihrer Aufgabe; die äußern Verhältnisse drängten so mächtig an sie heran, daß sie sich ihren Einflüssen nicht zu entziehen vermochte und daher den Gang ihrer Be- rathung stets mit Tagesfragen und Interpellationen an die Minister unterbrechen mußte. Nachdem an die Stelle von Pillersdorf ein neues Ministerium unter Wessenbergs Vorsitz getreten, in dem Doblhoff (Inneres), Latour (Krieg), Schwarzenberg (Arbeiten), Hornbostel (Handel) die bedeutend- sten Mitglieder waren, wurde am 22. Juli der Reichstag feierlich eröffnet. Die Verhandlungen nahmen aber bald einen heftigen Charakter, der auch nach des -Kaijers halb erzwungener Rückkehr nicht gemildert wurde und mit dem unruhi- gen Treiben der leidenschaftlich erregten untern Volksklassen der Hauptstadt in
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