1. Bd. 2
- S. 606
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
11. 12.
Scptbr.
28. Sept.
3.Oct.
606 Die jüngsten Revolutionsstürme.
pathisirten, oder doch Scheu trugen, ihre Popularität aufs Spiel zu setzen und
dadurch für die Zukunft ihren Einfluß zu verscherzen. Diese Rücksichten und das
Gefühl der innern Meinungsverschiedenheit lahmten in Wien wie allenthalben
die Kraft der aus der Revolution hervorgegangenen und auf Hemmung ihrer
Ueberschreitung gerichteten Schöpfungen und Einrichtungen. So kam es, daß
Pöbelschaaren mehr und mehr Einfluß auf das Staatsleben übten; sie hemmten
die freiwilligen Anwerbungen für die italienische Armee, damit ihre Menge nicht
vermindert würde; sie ertrotzten Zuweisung öffentlicher Arbeiten von Seiten der
Regierung; sie bestimmten den Taglohn und schreckten durch Drohungen von
jedem Versuch einer Minderung deffelben ab. Mit dem Erfolg wuchs ihre Ver-
wegenheit und Frechheit. Als die Beschäftigung der brodlosen Arbeiter an den
öffentlichen Werken dem Staat und der Gemeinde unerschwingliche Lasten zu
bereiten drohte, setzte der Minister Schwarzer den Arbeitslohn um 5 Kreuzer
herab. Diese Maßregel führte die. blutigen Auftritte vom 23. August herbei.
Große Massen Volks versammelten sich auf dem Prater und nachdem sie hier
unter allerlei bezeichnenden Ceremonien eine aus Lehm geknetete Puppe, den Mi-
nister Schwarzer vorstellend, feierlich begraben und zwei Sicherheitswachen miß-
handelt hatten, schickten sie sich an, mit Fahnen und unter lärmendem Geschrei
in die Stadt einzuziehen. Aber hier stießen sie auf eine Abtheilung Nationalgar-
den; aus einigen Neckereien und Steinwürfen entstand ein blutiger Kampf, in
Folge dessen sechs Arbeiter getödtet und mehrere verwundet wurden. Viele Ver-
haftungen , die Einstellung der öffentlichen Arbeiten und die Selbstauslösung der
Sicherheitsausschüffe waren die nächsten Ergebnisse dieses Kampfes, den die
Bürger selbst ohne militärische Beihülfe zur Erhaltung der öffentlichen Ordnung
bestanden. — Einige Wochen spater ereignete sich ein neuer Tumult, als ein
Gewerbverein, der sich eigenmächtig gebildet hatte, eine Menge von Aktien aus-
gab, welche, da der Verein durchaus keine Garantie bot, bald allen Credit
verloren, wodurch die aus geringen Gewerbleuten bestehenden Besitzer ihre
Einlagen einbüßten. Trotz einer beruhigenden Bekanntmachung des Ministers
Doblhoff, in welcher eine Untersuchung und Ausgleichung in Aussicht gestellt
war, gestaltete sich die Aufregung zu einem drohenden Aufstand, der von den
Demokraten und der Studentenlegion zur Wiederbelebung des Sicherheitsaus-
schusses und zur Aenderung des Ministeriums benutzt werden sollte. Aber die
ernste Haltung des von der Regierung zum Schutz herbeigezogenen Militärs
vereitelte das Vorhaben. Die Erhebung, wahrend welcher der Reichstag ohne
Unterbrechung getagt hatte, blieb ohne nachtheilige Folgen und zur Erleichterung
des Gewerbstandes wurde dem Ministerium ein Credit von 2 Millionen be-
willigt. —
§.864. Dieoctobertage in Wien. Die Vorgänge in Ungarn war-
fen die Hauptstadt des östreichischen Kaiserreichs in eine furchtbare Gährung.
Schon lange hatte Jellachich, der Ban von Croatien, insgeheim unterstützt
vom Hof und von der Regierung, die Magyaren bekriegt. Der Reichstag, wo
die Czechen und Slaven den Ungarn feindlich gesinnt waren, hatten die magya-
rische Deputation, die seine Vermittelung nachsuchte, abgewiesen; durch aufge-
fangene Briefschaften war die Verbindung des Kriegsministers Latour mit dem
Ban an Tag gekommen; der als kaiserlicher Commissar und Oberbefehlshaber
nach Ungarn geschickte Graf Lamberg wurde auf der Brücke von Buda-Pesth
von dem rasenden Pöbel ermordet. Da erfolgte das kaiserliche Kriegsmanifest,
und ein Theil der Wiener Truppen erhielt Befehl zum Abzug nach Ungarn. Dies
gab Veranlassung zu einer Erhebung, die alle frühern Auftritte an Umfang und