Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Bd. 2 - S. 610

1854 - Leipzig : Engelmann
610 Die jüngsten Revolutionsstürme. 30. Ott. Entscheidung beruhte jetzt auf den Waffen; das Schwert der Empörung war so hoch geschwungen, daß die Scheide weggeworfen werden mußte. Von beiden Seiten wurden daher die kriegerischen Kräfte aufs Aeußerste angestrengt. Bern, Messen Hauser und Fenneberg leiteten die Vertheidigungsanstalten; der demokratische Centralausschuß bildete zwei Freicorps, die mobile Garde und das Elitencorps, die auf der äußersten Warte fochten, und worin mehrere Literaten, darunter auch die Frankfurter Parlamentsglieder Robert Blum und Julius Fröbel, Dienste versahen; die Maßregeln des Schreckens, die von Außen gegen die Demokraten angeordnet worden, fanden im Innern ihre Anwendung gegen die Gemäßigten und Reaktionäre. Gefechte und Ausfälle, täglich wieder- holt, steigerten durch den blutigen Ausgang die Wuth und Rache auf beiden Seiten. Die Flammen, die jeden Abend von den brennenden Hausern glühend roth am nächtlichen Himmel emporstiegen, gewahrten den angstvoll in der Ferne Harrenden einen grauenvollen Anblick. Ueber eine Woche wurde der blutige Kampf mit der größten Erbitterung Tag und Nacht fortgeführt. Die akademische Legion, die Arbeiter, die Nationalgarde, die Freicorps machten jeden Fuß breit streitig: Mauern und Barrikaden gewahrten ihnen Ersatz für die mangelnde Kriegskunst. Der Zorn der Soldaten wuchs mit dem Widerstand; besonders brannte das Regiment Latour, das mit umflorten Fahnen einherzog, vor Ver- langen , den Tod des Generals zu rachen. Am 28. und 29. Oktober war der Kampf am heißesten; schon waren die Außenwerke und Vorstädte erobert, den Insurgenten gebrach es an Lebensmitteln und Kriegsvorrath; die Stadt war unhaltbar, fernerer Widerstand drohte das Unglück nur größer zu machen. Der Gemeinderath, nunmehr die einzige gesetzliche Obrigkeit, da der Reichstag durch kaiserliche Botschaft geschloffen und auf den 15. Nov. nach dem mähri- schen Städtchen Kremsier einberufen worden, beschloß die Stadt auf Gnade und Ungnade, wie der Sieger verlangte, zu übergeben. Am Abend begann schon die Abführung der Waffen und am 30. October rückten die Truppen von allen Seiten bis zum Glacis vor. Da sah um 2 Uhr ein Wächter vom Stephans- thurm gegen die ungarische Grenze hin Pulverdampf auffteigen. Wie ein Lauf- feuer verbreitete sich die Nachricht durch die Straßen : „Die Ungarn kommen ! " und weckte von Neuem den Kriegsmuth. Der Vertrag wurde gebrochen; die ab- gelieferten Gewehre den Zeughäusern wieder entnommen; die Kanonen auf die Walle gepflanzt und neue Ausfälle gewagt. Die Stadt war gänzlich in den Hän- den des Proletariats und verzweifelter Rotten von Freischaaren. Aber die Hoff- nung der Insurgenten wurde getauscht. Zwar waren die Ungarn wirklich im Anmarsch; aber ihr großentheils aus einem raschgebildeten Landsturm von jungen Leuten bestehendes Heer wurde von den Kroaten und dem östreichischen Militär an der Schwechat mit großem Verlust zurückgeschlagen und zum schnellen Ab- zug nach Preßburg gezwungen. Mit verdoppelter Wuth wurde nunmehr die Kaiserstadt von den über den Treubruch empörten Soldaten von Neuem bestürmt. Der Widerstand war schwach und von kurzer Dauer. Die Truppen drangen unter Begünstigung der über die Proletarierherrschaft entrüsteten Nationalgarden bis zum Stephansplatz und auf den Hof des Kriegsgebaudes, wo der Laternen- pfahl , an dem Latours Leiche gehangen, unter Geheul umgestürzt und zertrüm- mert wurde. Die Aula war leer, die Kalabreserhüte verschwanden plötzlich. Wien bot einen Anblick des Schreckens und Jammers dar. „In den meisten Straßen Kugelspuren an den Hausern, in den Vorstädten ganze Straßenreihen uiederge- brannt, an tausend Stellen Leichen und Blutlachen, überall Frauen oder Kinder, nach den Männern oder Vätern suchend, dazwischen Kroaten, nur auf Plünde-
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer