1. Bd. 2
- S. 633
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Die deutschen Verfassungskämpfe.
vermochten. Nach hartem Kampfe, dem blutigsten unter Allen, wurden sie zum
Welchen gebracht, worauf sich die Danen des ganzen Belagerungsgeschützes und
der Schanzen bemächtigten. So erlangten sie einen kleinen Ersatz für die Nie-
derlage in Eckernförde und eine kurze Befriedigung ihrer Rache. Aber auch im
Unglück retteten die Schleswig-Holsteiner die Waffenehre. Ueber ihre Tapferkeit
und muthvolle Haltung war nur eine Stimme.
Die Nachricht von diesem Unfälle war noch wirksam genug, in dem nieder-
geworfenen und zerrissenen Deutschland einen allgemeinen Schrei der Entrüstung
über die schmachvolle Kriegführung hervorzurufen. Im Rücken des preußischen
Heeres war der Ueberfall bewerkstelligt worden und Prittwitz hielt sich nach
wie vor ruhig. Diesmal waren es nicht die Demokraten, die mit Schmerz und
Zorn eine Staatskunst verwünschten, die das gezückte Schwert zu gebrauchen ver-
bot und dadurch treue und edle Menschenleben einem tückischen Feinde preis gab,
die Demokraten waren bereits zum Schweigen gebracht, aber alle Vaterlands-
freunde, die Preußens Ruhm und Ehre unbefleckt und strahlend sehen wollten,
und die Deutschlands Heil nur im engsten Bunde mit Preußen erblickten, die
trauerten, als sie die Kunde vernahmen, daß trotz des heimtückischen Verfahrens
der Danen, dennoch in Berlin ein unehrenhafter Waffenstillstand zum Abschlüsse
gekommen, bei dem weder Bevollmächtigte der Reichsregierung noch der Herzog-
thümer beigezogen würden. Darin wurde vorläufig die Trennung Schleswigs von w. Juli.
Holstein ausgesprochen; und wahrend das letztere, wie bisher, unter der von der
Centralgewalt angeordneten „Statthalterschaft" stände, sollte Schleswig von einer
dreiköpfigen „Landesregierung" unter dem Vorsitz eines englischen Commissars im
Namen des Königs von Dänemark regiert werden und im Süden eine preußische,
im Norden eine schwedische, auf den Inseln eine dänische Besatzung erhalten. —
Mit Unwillen vernahm man in den Herzogthümern diese die Fundamentalsatze
ihres Staatsrechts gefährdenden*) Bedingungen und die Staathalterschaft wie
die Landesvertretung legten Protest gegen den Vollzug ein. Als aber die deutschen
Truppen allmählich abzogen und der schwedisch-preußischen Besatzung Platz mach-
ten , mußten sie sich in das Unvermeidliche fügen. Von dem an begann für die
unglücklichen Schleswiger eine Zeit der Bedrückung und der Willkürherrschaft;
aber ungebeugt beharrte die willenskräftige Bevölkerung auf ihrem Rechte und
setzte der Gewalt den Trotz eines guten Bewußtseins und eines gerechten Strebens
entgegen.
*) Die Forderungen der Herzogthümer (deren Rechtmäßigkeit der König von Preußen
in einem Brief an den Herzog von Augustenburg vom 24. März 1848 anerkannt hatte)
beruhten auf folgenden Hauptgrundsätzen des schleswig-holsteinischen Staatsrechts: 1)Daß
die Herzogthümer selbständige Staaten sind. 2) Daß nur der Mannsstamm des oldenbur-
gischen Hauses zur Erbfolge in den Herzogthümern berechtigt ist und 3) daß die Herzog-
thümer fest miteinander verbundene Staaten sind. In dem Waffenstillstandsvertrag aber
heißt es, daß Schleswig, was seine gesetzgebende Gewalt und seine innere Verwaltung be-
trifft, eine abgesonderte, von Holstein getrennte Verfassung erhalten solle, unbeschadet
derpolitischenverbindung, welche das Herzogthum Schleswig an die
Kronedänemarkknüpft.
tz. 878. Die Bewegung zur Durchführung der deutschen
Reichsverfassung. Der Wydenbrugk'sche Antrag, am 4. Mai zum
Beschluß erhoben, war der Todesstoß der Nationalversammlung. Von der Zeit
an brachte jeder Tag neue Austrittserklärungen. Wie wenig auch diedemokraten
bisher mit dem Frankfurter Reichsparlament übereingestimmt hatten, wie sehr