1. Bd. 2
- S. 650
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Die jüngsten Revolutionsstürme.
2.Dec. und sein jugendlicher Neffe Franz Joseph erhielt durch die Verzichtleistung sei-
nes Vaters die Hecrscheckrone. Der ungarische Reichstag protestirte gegen diesen
Thronwechsel und verwahrte sich gegen alle Regierungshandlungen des neuen Kai-
sers, ehe derselbe, dem Herkommen gemäß in Ungarn gekrönt wäre und die Ver-
faffung und Rechte beschworen hatte. Und um dem drohenden Krieg, zu dem in
Oestreich die ausgedehntesten Rüstungen gemacht wurden, kräftig begegnen zu
können, erließ Kossuth glühende Aufrufe an Ungarns waffenfähige Mannschaft
und bewirkte dadurch, daß in kurzer Frist ein Heer von 200,000 Mann, theils
reguläres Militär, theils Landwehr (Honved) unter den Waffen stand. Die
weiten morastigen Ebenen an der Theiß, auf denen der ungarische Roßhirt mit
seinen Heerden sich tummelt, waren der Sammelplatz der magyarischen Streiter.
Am 15. Decbr. brach der zum Oberbefehlshaber bestimmte Fürst W indisch -
Gräz gegen Ungarn aus. Unter leichten Gefechten wurden die Städte Oeden-
burg, Preßburg, Raab u. a. ohne sonderlichen Widerstand eingenommen und be-
setzt und dann mit acht Heersäulen ein vereinter Angriff auf B u d a - P eft h, die
Hauptstadt des Landes, beschlossen. Mitten im Winter durchzogen die kaiserlichen
Truppen den Bakonyer-Wald, dessen sumpfige Wege der Frost gangbar ge-
macht hatte, und näherten sich in den ersten Tagen des Jahres 1849 der Hauptstadt.
Als der fürstlicheheerführer die von Graf B a lt Hy an y i an der Spitze einer an-
Jcinuar sehnlichen Deputation begehrten Unterhandlungen ablehnte, verließ Kossuth in der
184». vom 4. auf den 5. Januar mit der ungarischen Armee und allen Kriegs-
vorräthen in der Stille die Hauptstadt und zog nach D ebreczin, die Krone des
heil. Stephan, die Reichsinsignien und die Banknotenpresse mit sich fortneh-
mend. Der Landesvertheidigungsausschuß und die Deputirten des Reichstags
s.jan. begleiteten ihn. Am folgenden Tag hielt der Feldmarschall mit dem Banus
Jellachich seinen Einzug in Ofen und Pesth und schickte die Schlüssel der beiden
Schwesterstädte an den Kaiser. — Mittlerweile hatte der Kampf gegen die Ser-
den um Pancsova und an den festen Römerschanzen und Lagerwallen an der
Donau und Theiß seinen blutigen Fortgang, und in Siebenbürgen war ein
Krieg ausgebrochen, der an Entsetzen und Gräuel Alles überbot, was seit den
Tagen der Hunnen und Vandalen in den Jahrbüchern der Kriegsgeschichte ver-
zeichnet worden. Auch in die entlegenen Thäler und Berghöhen jenes wildroman-
tischen Landes, wo seit Jahrhunderten verschiedene Volksstamme germanischen
(Sachsen), slavischen (Walachen oder Romänen) und magyarischen (Un-
garn und Sze kl er) Ursprungs mit verschiedenen Rechten und Einrichtungen
und mit einem gemeinsamen sieben bürgischen Landtage in Eintracht
neben einander gelebt, war der Stammeshader mit seiner Neuerungssucht ge-
drungen, um das Glück und den Frieden zu verscheuchen. Zuerst verlangten und
erhielten die slavischen Romanen gleiche Rechte mit den Sachsen und Magyaren
und schickten ihre Abgeordneten zum Landtage nach Klausenburg; dann bewirkten
die Szekler und Magyaren, daß der vereinigte siebenbürgische Landtag an die
östreichische Negierung die Forderung stellte, mit Ungarn durch eine unauflösliche
Union verbunden zu werden; und auch diesem Verlangen willfahrte Kaiser Fer-
dinand in jenen sturmvollen Tagen, die der Frühling 1848 über Europa herbei-
geführt. Aber bald erzeugten fremde Einflüsterungen und reifere Ueberlegung
eine Sinnesänderung. Die Wallachen verwarfen die Union mit Ungarn und
nahmen Theil an den panslavistischen Sonderbestrebungen ihrer Stammesge-
nossen im Kaiserreich, und die Sachsen, mehr auf Erhaltung ihrer alten ver-
brieften Rechte und Freiheiten als auf Erwerbung unsicherer Reformen bedacht,
erklärten sich für Beibehaltung der alten Zustände. Beide Stämme schaarten