1. Bd. 2
- S. 655
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
Unterdrückung der Revolution.
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liche Kaiser selbst zur Belebung ihres Muths aus kurze Zeit eingefunden hatte, sehr
günstig. Görgey wurde von Wohlgemuth und Haynau an der Waag
und bei Raab nach mehreren tapfern Gefechten zurückgedrängt und genöthigt,
sich hinter den Mauern und Festungswerken von Ko morn zu vertheidigen,
worauf Haynau durch eine strenge Proklamation vom 1. Juli die Ungarn zur
Niederlegung der Waffen aufsorderte und alle, die bei dem Aufstande beharren
und dem „Convente" in Debreczin Beistand leisten würden, mit den härtesten
Strafen bedrohte. Am 12. Juli siel Ofen und Pesth wieder in die Hände
des kaiserlichen Befehlshabers; wo kurz zuvor Kossuth mächtig und hoffnungs-
reich gewaltet hatte, nahm jetzt der östreichische Generalstab seinen Sitz und die
aus dem Hauptquartier Paskiewitschs in Gödöllö abgesandten Kosacken sprengten
durch die Straßen der erschreckten Hauptstadt. Die schweren Strafen, die der
unbarmherzige Haynau über die Hauptstadt und namentlich über die den ma-
gyarischen Aufstand begünstigende Judengemeinde verhängte, und die drohenden
Proclamationen, wornach Jeder „der durch Wort, That oder durch Tragen revo-
lutionärer Abzeichen die Sache der Rebellen zu unterstützen wagen würde" als
„dem Tode verfallen" erklärt wurde, waren das Vorspiel der kommenden Schre-
ckenstage. Besitz, Verausgabung oder Annahme der ungarischen Banknoten
(Kossuthnoten) wurde unter Todesstrafe verboten, eine Maßregel, die un-
sägliche Verluste herbeiführte, da bisher das ungarische Geld allgemeinen Curs
hatte, und sogar bei den öffentlichen Kassen angenommen worden war. Nicht minder
erfolgreich waren die Waffen Jellachichs im Süden. Der ungarische General
P e r c z e l wurde zurückgedrängt, Neusatz von Peterwacdein aus in Brand ge-
setzt, die Römerschanzen und die Festungen am Franzenscanal erstürmt und end-
lich nach der Einnahme von O'becse der Uebergang über die Theiß bewerkstelligt.
Aber mit welchen Leiden hatten die Soldaten zu kämpfen! Die Ungarn hatten,
um sich für die Räubereien der Czaikisten zu rachen, die Ernten vernichtet, die
Brunnen zerstört und somit eine künstliche Wüste erzeugt. Hier mußten die
Truppen bei glühender Junifonne ohne dm Schatten eines Baumes, ohne schir-
mendes Dach, ohne einen andern Trunk als das faulende Wasser der Donau-
sümpfe mehrere Tage zubringen. Bald brach die Cholera aus und hielt eine
furchtbare Todtenernte. Das Gestöhn der Kranken und Sterbenden, das die
angstvolle Stille der Nachte durchbrach, erhöhte die Qualen der Krieger. Auch
war auf dieser Seite der Sieg von kurzer Dauer. Auf die Nachricht von dem
Vorrücken des Banus wendete sich B em plötzlich westwärts, den Kampf in Sie-
benbürgen den Szeklern und andern Eingebornen überlassend. Er gewann nach
schwerer Belagerung die Festung Arad durch Vertrag, zwang das geschwächte
und entmuthigte Heer Jellachichs zum eiligen Rückzug über die Theiß und Donau
und drang siegreich bis Neusatz und Peterwardein vor. Nur der Plan, die
hartbedrängte, von Krankheit und Hunger schwer heimgesuchte Stadt Tem es -
war zu erobern, scheiterte an dem standhaften Muth des östreichischen Komman-
danten Rukavina, der jedoch bald nachher von der Cholera hingerafft wurde.
Ende Juli und Anfang August erschien Bem wieder in Siebenbürgen, das mitt-
lerweile zum großen Theil in die Hände des russischen Befehlshabers Luders
gefallen war. Seine Erscheinung vermehrte die Kriegsleiden des unglücklichen
Landes, das bald gewonnen bald verloren stets von dem Sieger hart mitgenommen
wurde. Schlachtfelder und Brandstätten wechselten miteinander ab. Ein Versuch
der Szekler, die Bewohner der Moldau zum Aufstand zu bringen, blieb ohne Er-
folg. — Während dieser Zeit befand sich Kossuth mit den Ministern und Glie-
dern des Reichstags in Szeged in, welches, seit der Besetzung von Pesth durch
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Juni.
1. Juli.