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1. Bd. 2 - S. 662

1854 - Leipzig : Engelmann
662 Die jüngsten Revvlutionsstürme. §. 897. Der Verfassungskampf in Kurhessen. — Hassenpslug, der sich durch seine frühere unheilvolle Thätigkeit den allgemeinen Haß des hessischen Volkes zugezogen und dessen gerichtlicheverfolgung in Preußen wegen Fälschung mindestens einen gänzlichen Mangel an Rechtsgefühl beurkundete, verfolgte standhaft den Plan, die Regie- rungsgewalt in Hessen auf Kosten der Verfassung zu stärken. Als am 16. Mai die vertagte Ständeversammlung in Kassel wieder zusammcntrat, verlangte das Ministerium, ohne Vorlegung eines Budgets oder Finanzgesetzes und ohne alle Angabe der Verwendung, die Ermächtigung zur Erhebung einer Staatsschuld im Belauf von 760,000 Thalern mittelst Schuld- und Kassenscheine, und als der Landtag dieses Ansinnen zurückwies, wurde die 13. Juni. Versammlung plötzlich und unerwartet aufgelöst, ehe für den Staatsbedarf in versassungs- 22. Aug. mäßiger Weise gesorgt worden. Neue Wahlen wurden angeordnet und im August kamen die der Mehrzahl nach demokratischen Stände abermals zusammen. Hier wiederholte Hassenpslug sein früheres Verfahren, indem er, ohne vorausgegangenen Nachweis des Staatsbedarfs, die Forterhebung der Steuern über den bereits abgelaufenen Termin hin- aus verlangte. Als die Versammlung diesen Antrag verwarf und sich in dem Beschluß ei- nigte, daß bis zur verfassungsinäßigen Vorlegung des Budgets die Erhebung der direk- ten Steuern zu unterbleiben habe, die indirekten zwar erhoben, aber nicht veraus- gabt, sondern als Depositum in der Staatskasse niedcrgelrgt werden sollten, benutzte der Minister diesen als „Steuerverweigerung" bezeichneten Beschluß zu einer nochmaligen Auf- 2. Sept. lösung. Nun ließ das Ministerium an den „bleibenden S t ä n d e a u s sch u ß" die Einladung ergehen, mit dem Staatsministerium zu einer Berathung in der Steucrsrage zusammenzutreten; da aber der Ausschuß in diesem Schritte die schlaue Absicht erkannte, dem Wortlaute der Verfassungsurkunde, der eine „Zuziehung" der Stände als erforder- lich angibt, scheinbar zu genügen, so lehnte derselbe die Einladung ab. Darin erkannte die Regierung einen „Verfassungsbruch" und den „ersten Schritt zur Rebellion" und traf demgemäß ihre Maßregeln. Ein Erlaß vom 6. Sept. gebot die Forterhebung aller Steuern; da aber der bleibende Ständeausschuß diese ohne seine Mitwirkung getroffene Verfügung für gesetzwidrig erklärte und die Steuererheber und Staatsdiener, die sich zur Beobachtung und Aufrechterhaltung der Verfassung eidlich verpflichtet hatten, aufforderte, der Verordnung keine Folge zu geben, so sistirten die Steuer- und Finanzbeamten alle Steuer-Erhebungen und die Gerichte unterließen die Anwendung des Stempelpapicrs. Dieser einmüthige Widerstand vermochte jedoch den festen Entschluß Hasscnpflugs nicht zu beugen. Trotz der tiefen Ruhe, die sich in der Hauptstadt wie im ganzen Lande zu erkennen gab, erklärte eine Verordnung vom 7. Sept. sämmtliche kurhessischen Lande in Kriegs- zustand, bestellte einen militärischen Oberbefehlshaber, der zugleich der verfassungsmä- ßigen Verantwortlichkeit enthoben war, ordnete eine strenge Ueberwachung der Tagcsprcsse an und unterwarf alle Staatsbürger den militärischen Gesetzen und Gerichten. Aber auch diese durch keine Rechtsverletzung von Seiten des Volks, durch keinen Ausstand oder Volkstu- mult hervorgerusene oder gerechtfertigte Maßregel blieb ohne Wirkung; die Behörden ver- harrten in ihrem passiven Widerstand und hielten sich strenge an das Gesetz und die be- schworene Verfassung, und die Bewohner der Hauptstadt wie des ganzen Landes beobach- teten dasselbe feste, ruhige Benehmen wie zuvor. Ungesetzliche Eingriffe der Polizei in die Druckereien wurden von den Gerichten und städtischen Behörden zurückgcwiesen und be- straft. Umsonst versuchte Hassenpslug, den Stadtrath von Kassel und die oberen Finanz- verwaltungs- und Gerichtsbehörden mit der ihm eigenen juristischen Jnterpretationskunst durch spitzfindige Deductionen von der Rechtsbeständigkeit feines Verfahrens zu überzeu- gen; seine Belehrung vermochte nicht ihre Ansichten von dcr Verfassungs- und Gesetzwidrig- keit der Verordnungen vom 5. und 7. Sept. zu erschüttern. Der Kriegszustand erwies sich als ohnmächtig. Der Oberbefehlshaber, betroffen über den unwandelbaren Widerstand der Gerichte und Behörden, fühlte sich in seinem Gewissen beunruhigt; er erkrankte und forderte
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