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1. Bd. 2 - S. 46

1854 - Leipzig : Engelmann
46 Neuere Literatur. erwarb, als Haller Anfechtungen und Kämpfe zu bestehen hatte. Haller hielt sich lediglich an die Engländer und an Virgil, der feine Weltmann Hagedorn dagegen ging auch bei den eleganten französischen Schriftstellern in die Schule; er nahm in der Fabel und poetischen Erzählung Lafontaine zum Vorbild, im heiteren Lied und in der Epi- stel dagegen hatte er Horaz vor Augen. Hagedorn war Meister in der leichtern „Poesie der Grazie." §. 56. Gottsch ed. In der ersten Hälfte des 18. Iahrh. übte im nördlichen öu'itfrfu’b Deutschland ein Mann von höchst untergeordneten Talenten eine dictatorische Gewalt 1700— 66. über Literatur und Geschmack— Joh. Christoph Gottsched aus der Provinz Preußen, Professor an der Universität Leipzig. Durch Menke, bei dem er Anfangs Hauslehrer war, kam er in die 1728 gegründete deutsche Gesellschaft, wurde bald Haupt derselben und übte durch sie mächtigen Einfluß auf die vielen ähnlichen Verbindungen in den sächsischen und preußischen Städten, die sich an die Leipziger Gesellschaft anlehnten. Er gründete eine deutsche kritische Zeitschrift, die unter verschiedenen Namen („die vernünftigen Tadlerinnen", „kritische Beiträge", „neuer Büchcrsaal" u. s. w.) lange Jahre bestand und eine Menge Nachahmungen in den Provinzialstädten hervorrief, die Auszüge aus jener enthielten. — Als Verehrer von Opitz und den Schlesiern hatte er die zahlreichen Anhänger dieser Schule auf seiner Seite; als Lehrer der Poesie und Redekunst bildete er Schüler, die ihn überall priesen, weil sie von ihm wieder gepriesen wurden. — Die Anhänger der Leibnitz-Wolsischen Philosophie gewann er dadurch, daß er nach ihrem System seine kritische Dichtkunst entwarf; aus diesem Werke, wie aus seiner Redekunst, Sprachkunst u. «.verfertigte er für die sächsischen Schulen Lehrbücher (Compendien), worin er den Lehrern Lob spendete, um sie sich geneigt zu machen. — Als Verehrer der französischen Dichter, deren Werke er und seine Frau (Luise geb. Culmus) um die Wette ins Deutsche übersetzten, erlangte er die Gunst der vornehmen Welt, der er bei jeder Gelegenheit seine Huldigung darbrachte; durch Widerstand gegen die hereinbre- chende Freigeisterei erwarb er sich das Zutrauen der Frommen und durch Loben und An- preisen mittelmäßiger Talente gewann er sich einen Schwarm von Freunden und Ver-- ehrern. Er war der gefeierte Kunstrichter des Nordens; sein Urtheil galt als unfehlbares Gesetz des Geschmacks, so daß er die Dreistigkeit hatte, in seiner Redekunst seine eigenen Werke als Muster neben die Alten zu stellen. — Ohne Begriff von einem freien Wachs- thum der Poesie glaubte er, daß man blos die Gesetze und Regeln der Dichtkunst zu erfinden brauche, um poetische Werke machen zu lernen, und trat daher keck nicht nur als Geschmacksrichtcr, sondern auch als Mustcrdichter und Wiederhersteller der dramatischen Poesie auf. Die feierliche Verbannung des Harlekins (Hanswursts) vom Leipziger Theater war das Signal, daß die bisherigen Volksschauspicle mit ihren gemeinen Späßen von der Bühne verschwinden sollten; kunstgerechte französische Dramen, in deutsche Alexandriner gekleidet, traten an die Stelle, bis Gottsched selbst eine regelrechte Tragödie in französi- schem Geschmack: „der sterbende Cato" als Muster eines deutschen Originalschau- spiels ausstellte. Dieses werthlose Stück, das in der von ihm veranstalteten deutschen Schaubühne an die Spitze gestellt ward, erlebte in Kurzem zehn Auslagen. §. 57. Gottsched und die Schweizer. (Bodmcr und Breitin g er.) Wahrend im Norden Gottscheds Worte wie Orakelsprüchc verehrt wurden, erhob sich in der Schweiz gegen den pedantischen Geschmacksrichtcr ein gewaltiger Sturm, der zur Bl,x>ncr ^olge hatte, daß sein Truggebäude umgestürzt und er mit Hohn von dem angcmaßten 1608— Posten vertrieben wurde. In Zürich nämlich schaarten sich um Joh. Jac. Bodmer, 178.;. e(nen gewandten, witzigen, für alles Höhere empfänglichen Schriftsteller von vielen, wenn auch nicht gerade tiefen Kenntnissen, eine Anzahl strebsamer Männer, darunter Joh. Jac. tyigcr Dreitinger. Diese waren eben so tiefe Bewunderer der englischen Literatur, wie Gott- 1701- 76. sched der französischen, daher bald Reibungen zwischen beiden entstanden. Die Züricher
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