Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Bd. 2 - S. 52

1854 - Leipzig : Engelmann
52 Deutschlands klassische Literatur. Nicolai 1733 — 1811. Lavater 1741 — 1801. herausfordernder Derbheit einen Kampf, dem seine schwachen Kräfte nicht gewachsen waren, daher er mit Schmach bedeckt von der Wahlstatt getrieben wurde. Zuerst trat Fr. Christoph Nicolai mit seinem berühmten satirischen Roman „Leben und Mei- nungen des Magister Sebaldus Nothanker" gegen das Treiben der recht- gläubigen Eiferer auf. Kaum hatte sich dieser Sturm in etwas gelegt, so wurde Goeze von Lessing, der, ohne die Religion zu kränken, die Rechte der Vernunft und Denk- sreiheit wider den beschränkten Eiferer kirchlicher Rechtgläubigkeit verfocht, in den be- rühmten Flugblättern (Antigoeze) so scharf zurcchtgewiesen, daß seitdem sein Name als Gattungsbegriff für alle Klopffechter diente. In dem künstlerisch unbedeutenden Buche Sebaldus Nothanker, dessen Grundlage die Schicksale und Leiden des wegen seiner religiösen Ansichten von dem orthodoxen Superintendenten Stauzius und seinen Glaubensgenossen verfolgten ehrlichen Philosophen Sebaldus bilden, werden die heuchlerischen Geistlichen, die die Seligkeit an Lehrformeln knüpfen, mit treffenden und derben Zügen dem Spott und Gelächter preisgcgeben. Da darin zugleich auch Dichter und Schriftsteller, die Nicolai's Geschmack nicht znsagten (namentlich der süßliche, tändelnde I. G. Jacvbi sherr von Säuglings und sein in gespreizter Vornehmheit austretender Bruder) mit kenntlichen Zügen verspottet wurden, so erlangte daswerk, dem die beigefügtcn Küpferchen von Ch o d o w ie cki einen noch größeren Reiz verliehen, solche Bedeutung, daß es schnell nach einander drei Auflagen erlebte, und daß alle Getroffenen ihrem Zorn in heftigen Ausfällen gegen den prosaischen Pro- pheten des flachen Verstandes Luft machten. e) Der mystische Kreis in Münster. In ganz anderem Sinne kämpfte der Kreis, der sich um die katholische Fürstin Gallitzin in Münster sammelte, gegen Aufklä- rung und Rationalismus. Diese verfochten nicht den kirchlichen Dogmatismus oder die Symbolgläubigkeit, sondern machten Gefühl, Poesie und Mystik zur Grundlage der Re- ligion, bewunderten die Tiefe der orientalischen Dichtung in der Bibel und betrachteten den christlichen Glauben als Grund und Anfang aller Weisheit. Mittelpunkt dieses Kreises war neben der schwärmerischen Fürstin der „Magus aus Norden" Hamann; zu ihm gehörte der bestimmbare und wankelmüthige Fr. H. Jacvbi, der Verfasser der phi- losophischen Romane „Allwills Briefsammlung" und „Woldemar", worin er seine Gesühlsphilosophie und seine moralischen und religiösen Betrachtungen niederlegte, und später der zum Katholicismus übergetretene Fr. Leop. Graf zu Stvlberg. Sie be- kämpften nicht blos die Berliner, gegen deren dürre Verstandsrichtung sie Gemüth und Phantasie in Schutz nahmen, sondern Jacobi, dessen evangelischer Glaube sich hart auf der Grenzscheide des Katholicismus hielt, erklärte Lessing für einen Spinozisten, was dessen Freund Mendelssohn so tief ergriff, daß die Schrift, worin er den Verstorbenen gegen diese Beschuldigung rechtfertigte, der Nagel zu seinem Sarge ward. d) Lavater und sein Gegner Lichtender g. Ein höchst merkwürdiger Mann für die Geistesrichtung der Zeit war der fromme Züricher Prediger Lavater, in dem alle Fäden der religiösen Bildung und supranaturalistischen Anschauung zusammenliefen. In religiöser Uebcrspannung forschte er nach dem Zusammenhänge des Menschen mit der Gott- heit und gelangte durch geistige Anstrengung zu dem Glauben, daß Gott mit der gläubigen Creatur in unmittelbarem persönlichem Verkehr stehe, daß die Zeit der Propheten und Apostel, „wo das Gebet Wunder wirkte und der Glaube Berge versetzte", noch gegenwär- tig sei, und daß der Mensch im Stande der Gnade göttliche Eingebungen erhalte. Von diesem Glauben durchdrungen, zog er Alles in den Kreis des Religiösen, sah in Allem, was ihm begegnete, den Finger Gottes und steigerte zuletzt seine Gefühle bis zu den Schwärme- reien der Mystiker, die in ihren religiösen Empfindungen den größten Genuß fanden. Keine Kritik oder Auslegungskunst vermochte seinen Glauben an die Göttlichkeit der H. Schrift zu erschüttern, und der ihn umgebende Unglaube bestärkte ihn nur in der Ucbcrzcugung daß er in die Welt gekommen sei, „um von der göttlichen Wahrheit Zeugniß zu geben". — Durch seine erbaulichen Schriften (Aussichten in die Ewigkeit" u. a.), durch seine Predigten, durch seine religiösen Dichtungen erlangte Lavater hohen Ruhm
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer