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1. Bd. 2 - S. 80

1854 - Leipzig : Engelmann
80 Deutschlands klassische Literatur. Schubart 1739—94. In dem Groffkophta, einem seiner unbedeutendsten Werke, sucht Goethe die Königin von aller Mitschuld in der bekannten Halsbandgeschichte (Lehrb. §. 703.) zu reinigen. In dem Bürgergeneral „wer- den große oder doch schreckliche Stoffe in einer kleinen, niedrig komischen Art behandelt, die zum Ernst zu oberflächlich, zum Spaß zu herb ist"; in den Aufgeregten kommt der Demokratismus im Vergleich zu den Aristokraten schlecht weg ; selbst in der Bearbeitung des Reinecke Fuchs (A. §. 34.) ist die Be- ziehung auf die Gegenwart fichtbar, so ungerecht es auch war, die schrecklichsten Uebel der Gesell- schaft, gegen die man sich erhoben hatte, mit dem unschuldigen Humor einer einfachen Zeit zu behan- deln. In der natürlichen Tochter erscheinen die Laster und Vergehen der höheren Stande in ein mildes Licht gerückt und durch die feine Sprache und einschmeichelnden Worte verhüllt. §. 85. Schillers Jugend. In Bayern und Schwaben hatten die Ideen der religiösen Aufklärung und politischen Freiheitzwar später, aber um so tiefer Wurzel geschla- gen. Der Illuminatenorden (Lehrb. §. 672.) und der Wieland'sche Kreis huldigten den durch die französische Literatur verbreiteten Ansichten und Wilh. Ludw. Weckhrlin und Daniel Schubart, zwei regellose Talente von unsittlichem Wandel, streuten, jener in kecken Zeitschriften („das graue Ungeheuer" u. a.), dieser in stürmischen Ge- dichten („die Fürstengruft" u. a.) religiöse Freigeistcrei und politische Freiheitsideen rücksichtslos aus. Jener büßte zwar sein kirchenfeindliches Streben mit Verfolgung, Schubart seinen Tyrannenhaß mit zehnjähriger Gefangenschaft auf dem Asperg ; aber der von ihm gestreute Same faßte Wurzel und nährte in der Jugend Freiheitsdrang und einen widerspenstigen Geist. Unter solchen Eindrücken erwuchs Friedrich Schiller aus Mar- bach in Schwaben, der Sohn einer frommen, sinnigen Mutter und eines strengen, ernsten Vaters, der im würtcmbergischcn Militär eine Hauptmannsstelle bekleidete. Frühe zeigte sich in dem Knaben ein strebsamer, hochfligender Sinn; die reiche Welt der Geschichte, die Reise des Columbus und die Thaten Alexanders füllten seine junge, phantasiereiche Seele mit kühnen Plänen; das wirkende, handelnde Leben, dem sich Goethe entzog, hatte für Schiller einen hohen Reiz; er hätte später begierig nach einer praktischen Thätigkeit gegriffen, hätten nicht beschränkte, enge Verhältnisse ihn gehemmt und genöthigt, sich in das Reich der Ideale zu flüchten. — „Diese ftrebsüchtige, freie Seele sollte ihr Feuer früh gedämpft fühlen." Ein pedantischer Schulmeister machte ihn linkisch und ängstlich; die strenge, militärische Zucht in der auf dem herzoglichen Schloß Solitüde errichteten Karls- fchu le, wo er Rechtswissenschaft studirte, erfüllte ihn mit Widerwillen ; weder die Juris- prudenz noch die Medicin, der er sich nach der Verlegung der Akademie nach Stuttgart zuwendete, vermochte seinen hochfliegenden Geist zu fesseln; er wandte sich von der vorge- schriebenen Wissenschaft weg nach der verbotenen Lecture, die er und einige gleichgesinnte Freunde sich mit List zu verschaffen wußten. Sie lasen Klopstock, Goethe's Götz und Werther, Gerstenbcrg's Ugolino, bewunderten die Gedichte Schubarts, mit dem Schiller mehrere Zusammenkünfte auf dem Asperg hatte, und ergötzten sich an Rousscau's Naturlebcn und an den Helden des Alterthums im Plutarch (Lehrb. §. 22-4). Mehrere lyrische Gedichte von Schiller (gesammelt in der „Anthologie auf das Jahr 1782") rühren aus dieser Zeit des Sturms und Drangs und fließen über vön Freiheitseifer, Hcldcnsinn und Männertrotz in bombastischer Großrednerci. Der Zwang der Akademie und die Subordination, unter die Schiller als Militärarzt zu stehen kam, steigerte die verbitterte Stimmung in solchem Grade, daß er im Vertrauen auf die Unterstützung des Mannheimer Thcaterintendanten Dalberg, der Schillers Räuber unter großem Beifall zur Aufführung gebracht (1782), aus Stuttgart entfloh, um sich ein freies Leben, wenn auch unter Roth und Sorgen zu gründen. Die Räuber sind die Frucht seiner tiefen Mißstimmung über, die verschrobenen Zustände der Welt, wodurch das Genie in die Bande der Convenienz und des Zunft- zwangs geschlagen werde, und gegen die „feige Schurkerei", die mit ihrem schleichenden Gifte verderblicher wirke, als große Laster und Verbrechen. Das Stück mit seinen Schau- der und Entsetzen erregenden Sccnen wirkte durch die Kühnheit der Sprache gleich einem Blitzstrahl.
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