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1. Bd. 2 - S. 90

1854 - Leipzig : Engelmann
90 Deutschlands klassische Literatur. Erfahrungen bedienten. Als mit der Zunahme der Bildung die Zahl der Leser sich mehrte, verlockte die Leichtigkeit der Abfassung und das Verlangen eines leselustigen Pu- blicums nach neuer Lecture viele untergeordnete Talente, ihre geringen Kräfte dieser Gat- tung zuzuwenden. Diese Tagesliteratur, schnell erzeugt und schnell vergessen, verdient keinen Platz in einer Bildungsgeschichte, wie anmaßend sie auch auftreten und wie breit ihr Umfang erscheinen mag; der größte Theil besteht aus Wiederholungen irgend eines hervorragenden Erzeugnisses, das eine der^enge zusagende Richtung cinschlug, die nun ausgebeutet ward. In der Romanliteratur unterscheidet man drei Hauptarten: histo- rische Romane, Tendenz- oder Lehrromane und humoristische Ro- mane. Die crstere, besonders von den Engländern ausgebildete Art ist bei uns am reichsten an werthlosen Produkten, daher die altern, nun grdßtcntheils vergessenen Werke dieser Gattung keiner besondern Erwähnung verdienen. Die zweite, auf deutschem Grund und Boden wurzelnd, entstand in jener Zeit des Sturms und Drangs, als die kühn vorstrebende Jugend dem wirklichen prosaischen Leben, das sie anfeindete, eine ideale Welt der Dichtung entgegensetzte, um d^rch diese auf jene einzuwirken, und dazu den fügsamen, sich gegen keinen Inhalt sträubenden Roman wählte. Wie ihr Streben selbst auf gänzliche Umgestaltung der bestehenden Zustände hinausging, so waren auch ihre Dichtungen auf das gesammte Leben, nicht auf einzelne Erscheinungen gerichtet. Durch die Darstellung ihres Gefühls- und Geisteslebens suchten sie der Wirklichkeit ein ideales Vorbild entgegen zu halten ; ihre dichterische Welt beruht nicht aufbeobachtung und Erfahrung, sondern auf innerer An- schauung. Zu der Art gehören G v e th e ' s Wertherund die Masse sentimentaler Liebesgeschichten, die er hervorgerufen; die Romane von Kl inger, der seine ideale Welt mit der trüben Wirklichkeit in ewigem Zwiespalt erblickt und sich mit innerer Abneigung von den Gebrechen des menschlichen Le- bens abwendet; die lüsternen Romane des üppigen epikureischen H ein se und die philosophischenro- mane Fr. Heinrich Jakobi's: Allwills Briefsammlung und Woldemar. §. 93. Humoristische Romane. Ihnen gegenüber steht eine Reihe Schrift- steller, die ,,dem Weltschmerze jener Genialen einen universalen Weltscherz entgegen- setzten," die nicht auf eine Umgestaltung des ganzen Lebens ausgingen, sondern sich mit Reformen einzelner Mängel begnügten, die nicht wie jene alles Kleine und Schwache bekämpften, sondern „des Menschen größte Zwecke und Bestrebungen oft an die klein- sten Anlässe, Beweggründe und Mittel geknüpft sahen, die des Menschen Schwäche lie- benswürdig, seine Kleinheit rührend fanden und daher in ihren Romanen eine humo- ristische, heitere, bescheidene, ja beschränkte Lebensbetrachtung an die Stelle des tragi- schen Ernstes der Genialen setzten." Daraus gingen die humoristischen Romane hervor, die sich an die Engländer Sterne, Smollet, Fielding und Goldsmith (Lehrb. §. 500.) oder an Don Quixote und Gilblas (Lehrb. §. 555. 629.) anlehnten, und am liebsten Ori- ginalcharaktere und Sonderlinge schilderten, bei denen irgend eine Leidenschaft, Laune oder Schwäche mächtig vorwaltete. Zahlreiche Uebersctzungen der genannten und ähnlicher ausländischen Schriftsteller förderten und erleichterten diese mehr oder min- der auf Nachahmung beruhende Gattung. Da aber in Deutschland das freie öffent- liche Leben fehlte, das den britischen Romanschreibern zu Statten kam, so drehen sich die deutschen humoristischen Werke hauptsächlich um Leben und Meinungen, um Gelehrsamkeit und Wissenschaft und besonders um Religion und Theologie. So 1738— ^chte Hermes aus Pommern in einer Reihe breiter Romane, unter denen So- 1821. phiens Reise von Memel nach Sachsen am bekanntesten ist, seine moralischen Grundsätze, seine Ansichten und Lehren über Ehe, Haus und weibliche Erziehung und na- mentlich seine Gedanken über den geistlichen Stand und dessen Hebung anzubringen. Ein Feind aller Sentimentalität, preist er die alte Zucht, Ehrbarkeit und Lebensweise, aber auch Hippel alte Spießbürgerlichkeit. Eben so benutzte Hippel seine mit nicht viel mehr Geschmack und 1i79(tt w>k noch größerer Selbstliebe verfaßten Romane: Die L c b e n s l a u sc in aufsteigen- derlinie und die Kreuz- und Querzüge des Ritters A—z., um seinen eigenen in-
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