1859 -
Lübeck
: Rohden
- Autor: Rohden, Ludwig
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Realschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Evangelisches Gymnasium, Realschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
Ix. §. 5. Gottes Wort über das Perserreich. 107
Bücher des Alten Testaments gesammelt und ihre Kenntniß durch kun-
dige Lehrer unter dem Volk verbreitet; dort war die Erwartung der
baldigen Ankunft des verheißenen Messias.
Wie ganz anders sah es unter den zurückgebliebenen, mitten unter
dem heidnischen Volk zerstreuten Juden in den übrigen persischen Län-
dern aus! Das Buch Esther liefert den traurigen Beweis, wie weit
die Herzen und Gedanken dem lebendigen Gottesbewußtsein entfremdet
wurden. Nicht ein einziges Mal kommt in dem ganzen Buche der
Name Gottes vor. Fasten ist die einzige Vorbereitung für den gefahr-
vollen Gang, den Esther zu thun hat. Wie trübe und dumpf ihre
Resignation ist, ergiebt sich aus dem trostlosen Wort: komme ich um,
so komme ich um; und wie schreckliche Rachgier gegen die heidnischen
Widersacher sie erfüllt, aus der Zahl der durch die Juden in sämmtli-
chen Theilen des Reichs erschlagenen Heiden. Ohne Zweifel werden
viele fromme Seelen von solchem Frevelwerk ihre Hände rein gehalten,
ohne Zweifel werden viele einen lebendigen Glauben und Zeugenmuth
bewahrt haben. Aber so viel wenigstens ersieht man klar genug aus
der genannten Erzählung, daß das Salz in großer Gefahr stand, dumm
zu werden.
§. 5. Gottes Wort über das Perserreich.
Fragen wir nun, was das Wort Gottes uns über die Bedeu-
tung und Natur des persischen Weltreichs an die Hand giebt, so
sind wir zuerst verwundert, zu hören, daß das Perserreich (die silberne
Brust der Regentensäule) für geringer erklärt wird als das goldene
Haupt (Dan. 2, 39). An Umfang war es jedenfalls größer, wie
ja auch Brust und Arme einen größern Umfang einnehmen als das
Haupt. An Glanz, Reichthum, Pracht und Ueppigkeit stand es jenem
mindestens gleich. An religiöser Erkenntniß stand es sogar über ihm,
denn die zoroastrische Religion stand ja ohne Zweifel weit über dem
babylonischen Baalsdienst. Also in welcher Beziehung war das Per-
serreich, oder um es gleich faßlicher auszudrücken Cores geringer als
Nebucadnezar? Die Antwort darauf giebt Dan. 7, 4 und 6.
Wir haben die Stelle schon betrachtet. Der Löwe, welcher dort den
Nebucadnezar abbildet, bekommt ein menschlich Herz, wird von
der Erde aufgehoben und verliert seine thierische Gestalt. Aber der
Bär, das Sinnbild des Cores und seines Reichs, erfährt keinerlei
solche Verwandlung. Im Gegentheil, er scheint in seinem thierischen
Wesen nur noch bestärkt zu werden, da ihm zugerufen wird: stehe
auf und friß viel Fleisch.
Also bei Nebucadnezar war die Anbetung des wahrhaftigen
Gottes wirkliche Herzenssache geworden. Bei Cores aber walteten
trotz seiner bessern Erkenntniß, seinem natürlichen Wohlwollen und