1859 -
Lübeck
: Rohden
- Autor: Rohden, Ludwig
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Realschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Evangelisches Gymnasium, Realschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
274 Xvii. §. 5. Besondere Stellung der Gothen.
des Landes benommen. Vergebens wandte Claudius die ganze
Kraft des römischen Staates gegen sie. Erst seinem Nachfolger Au-
relian (270 — 275) gelang es, sie über die Donau zurückzutreiben.
Aber die römische Provinz Da eien, welche sie längst als ihr Eigen-
thum behauptet, konnte er ihnen nicht mehr entreißen. Er gab sie
auf, um mir die Donaugrenze zu sickern. Das war das erste bedeu-
tendere Glied des römischen Staatskörpers, welches den Barbaren
zur Beute wurde, das Vorspiel und der Anfang der von jetzt an
noch gerade zwei Jahrhunderte dauernden schmählichen Zerstückelung.
Durch den ungestörten Besitz der reichen Fluren des alten Daciens
scheinen übrigens die Gothen für eine Zeitlang etwas zur Ruhe ge-
kommen zu sein. Ihre erneuerten Einfälle in die Provinzen südwärts
der Donau unter den Kaisern Tacitus und Pro bus (275—282)
waren nur vorübergehende Beutezüge, .und Diocletianus (284
— 305) hielt mit seinen neugebildeten Legionen an der Donau so
vortrefflich Wache, daß den Gothen der Uebergang gewehrt blieb.
Aber neben der kriegerischen Rüstung gingen fortwährend die Geld-
zahlungen her, durch welche die gothischen Häuptlinge in günstiger
Stimmung für Rom erhalten werden mußten. Kaiser Constanti-
nus versuchte zwar diesen Tribut abzustellen, ging mit seinem Heere
sogar wirklich über die Donau in's Feindesland, allein nach mehr-
fachem Schwanken des Kriegsglückes endigte der Kampf doch wieder
nur mit dem Versprechen der Gothen, daß sie keine weiteren Einfälle
in das römische Gebiet unternehmen wollten, so lange die Kinder
und Nachkommen des Constantin auf dem kaiserlichen Stuhle säßen.
Dieser Termin war mit dem Jahr 363 (Todesjahr des Julianus
Apostata S. 262) abgelaufen, und sogleich brach der Krieg zwischen
Athanarich dem Gothenkönig und Valens dem römischen Kaiser im
Orient (sein Bruder Valentinian herrschte im Occident) auf's
Neue aus.
Während dieser Kriege, oder richtiger noch durch diese Kriege
war das Christenthum auch zu den Gothen gedrungen. Die ersten
Boten des Christenthums unter den Gothen waren Gefangene, welche
sie seit Gallienus' Zeiten aus christlichen Ländern, insonderheit aus
Klein-Asien (Kappadoeien) fortgeschleppt hatten. Die Frömmigkeit
und der Mllsterhaste Wandel dieser Leute, die Wunderthaten einzelner
unter ihnen, die Weisheit und Beredtsamkeit der Mitgefangenen Geist-
lichen machten auf die rohen Gemüther einen tiefen Eindruck. Schon
zur Zeit Constantin's war eine solche Veränderung unter einem
Theil der Gothen vorgegangen, daß etliche Kirchenväter glaubten, „die
jesajanische Zeit sei unter ihnen angebrochen, wo die Schwerter zu