1859 -
Lübeck
: Rohden
- Autor: Rohden, Ludwig
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Realschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Evangelisches Gymnasium, Realschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
280 Xvii. §. 8. Die Westgothen in Rom und im südlichen Frankreich.
Senat bestand bis zu Theodosius' Zeit aus Heiden. Wer irgend
Anspruch machte auf altrömische Abkunst, würde sich geschämt haben,
sich zum christlichen Glauben zu bekennen. Ja, anstatt abzunehmen,
schien das Heidenthu-m gerade zu der Zeit des Theodosius und sei-
ner Nachfolger wieder einen neuen Aufschwung zu gewinnen, und
kühnlich konnten die Heidenden Christen entgegentreten mit der Frage:
was sie denn Besseres hätten? Denn leider der heidnische Sinn und
heidnische Sitte war bereits tief in die christliche Kirche eingedrungen.
Wie heidnisch muß es damals in den Gemeinden hergegangen sein,
wenn durch besondere Verordnungen der Gesang heidnischer Lieder in
den Kirchen, das Mitmachen heidnischer Aufzüge und Feste an Stelle
kirchlicher Festfeier ausdrücklich untersagt werden mußte! Da verkün-
digten die Wächter, die auf der Warte standen, die alsbald nun un-
abwendbar hereinbrechenden göttlichen Strafgerichte. Manche wollten
schon den herannahenden Untergang der Welt aus den drohenden
Weltereignissen erkennen. Und wahrlich, fast sah es darnach aus.
Krieg, Mord und Verheerung erfüllte die römischen Länder von einem
Ende bis zum andern. Alles Bestehende schien zusammenzustürzen.
Aus Britannien, welches seit Claudius' und Domitian's Zeiten den
Römern unterworfen war, aus Gallien und von der Rheingrenze hatte
Stilicv, um dem Gothenköng entgegentreten zu können, alle römischen
Besatzungen zurückgezogen. Darüber waren jene Länder fast gänzlich
eine Beute der Barbaren geworden. In Britannien warfen sich glück-
liche Kriegsführer zu Imperatoren auf und drangen nach Gallien ein.
Der Rheinstrom wurde von Franken, Alemannen und Burgun-
dern ohne Widerstand überschritten und ganz Gallien füllte sich mit
fremden Völkerstämmen. An der Spitze eines ungeheuren Schwarms von
Gothen-, Vandalen- und -Suevenresten aller Art, die mit Weib
und Kindern aus den östlichen Donaugegenden daherzogen, brach Ra-
dagais, ein edler Gothe, durch die Alpen in Italien ein. Zwar
wurde er dort durch die Kriegskunst des Stilieo in engen Pässen
eingeschlossen und ein großer' Theil des Volkes niedergehauen. Aber
die Reste dieser Schwärme brachen nun aus Italien zurückkehrend und
mit anderen Völkern verstärkt über den Oberrhein ebenfalls nach Gal-
lien hinein (407) und vermehrten die dort schon herrschende furchtbare
Verwirrung. Gleich Heuschreckenschwärmen verwüsteten sie das Land,
bis sie nach etlichen Jahren veranlaßt wurden, über die Pyrenäen nach
Spanien zu ziehen und dort für einige Jahrzehende ihren Wohnsitz
aufzuschlagen. Und nach allen diesen schrecklichen Kriegeswirren stand
noch das Schrecklichste bevor: Alarich's Eroberung Italiens und
Plünderung Rom's.
§. 8. Die Westgothen in Rom und im südlichen
Frankreich.
Achthundert Jahre waren verflossen, seit Rom keinen fremden
Feind vor seinen Thoren, geschweige in seinen Mauern gesehen hatte.
Christus der Herr war inzwischen eingezogen und hatte Rom zum