1859 -
Lübeck
: Rohden
- Autor: Rohden, Ludwig
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Realschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Evangelisches Gymnasium, Realschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
Xvii. §. 10. Die germanischen Patricier des Römerreichs in Italien rc. 287
südwestliche Gallien und fast ganz Spanien*) inne hatte, der Bur-
g'underkönig, der mit seinem Volk die früheren Sitze in Worms
und der Pfalz den Alemannen überlassen und zwischen Rhone und
Alpen sein Reich gegründet hatte, und endlich noch der Beherrscher
des kleinen noch römisch gebliebenen Streifens im Mittlern Frankreich
Aegidius, und nach ihm sein Sohn Spagrius. Dieser Letztere
schaltete in seinem Lande eben so unabhängig wie der Burgunder- und
der Gothenkönig in dem ihrigen, und geberdete sich keineswegs als
Unterthan des römischen Kaisers. Aber er war doch eben so wie die
beiden Könige dem Kaiser zur militärischen Hülfe und Heeresfolge
verpflichtet imd führte deshalb auch eben so wie jene den Titel eines
römischen Feldmarschalls (magister militum). Um also diese mächtigen
Häupter dem römischen Interesse nicht ganz zu entfremden, setzte Ri-
chimer doch wieder einen Kaiser ein, den Anthemius (467—472).
Aber er konnte dessen Anerkennung beim Spagrius und bei den
Weftgothen nicht durchsetzen, entzweite sich auch bald selbst mit ihm,
zog gegen ihn zu Felde und stellte einen neuen Kaiser auf, Oly-
brius. Aberbei der Belagerung Rom's, wo Anthemius sich ver-
theidigte, kamen die beiden Kaiser und Richimer selber um (472).
An die Stelle des Letztem als Patricius von Italien trat einer der
angesehensten römischen Heerführer, Orestes. Dieser ließ sich zwar
anfangs den vom oströmischen Hofe aufgestellten Imperator Julius
Nepos gefallen (473—475), veruneinigte sich aber bald mit ihm,
verjagte ihn aus Italien und machte seinen eignen Sohn Romulus
Augustulus zum Kaiser (475—476). Und diese beiden bedeutungs-
vollen Namen sind denn, wie die ersten, so auch die letzten gewesen
in der Geschichte der römischen Macht und Herrschaft. Ohne letzte
Zuckungen, ohne krampfhaften Widerstand, ohne Ruhm und Ehre ging
der letzte Rest des Römerreichs zu Gr§be. So wenig eingrei-
fend und epochemachend ist dieses Ende des römischen Kaiserthums,
daß man sogar noch zweifelhaft ist, ob es schon 476 mit der Ent-
thronung des Romulus oder erst 480 mit dem Tode des von
Orestes vertriebenen Julius Nepos eintrat. Ob ein Kaiser da
war oder keiner, erschien ganz gleichgültig. Alles ging seinen gewohn-
ten Gang. Statt des Orestes trat ein anderer Patricius in Ita-
lien hervor, Odo ach er, der den Orestes besiegt hatte und nun
') Es gab in Spanien neben dem westgothischen geraume Zeit noch ein
kleines Suevenreich, in der nordwestlichen Ecke des Landes.