1859 -
Lübeck
: Rohden
- Autor: Rohden, Ludwig
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Realschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Evangelisches Gymnasium, Realschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
Xviii. §. 8. Umsturz der Kirche in Syrien und Palästina und des Perserreichs. 309
Einer Person, und alle seine Nachfolger, die Khalifen, waren es eben
so wie er. So waren auch die mohamedanischen Geistlichen (Mufti,
Imam, Ulema) zu gleicher Zeit Gesetzesausleger und Religionslehrer
und Opferpriester; und jede politische Verpflichtung war für den
Gläubigen (Moslem) zugleich religiöse Pflicht. Man denke also,
welch eine ungeheure Gewalt auf diese Weise in die Hände des einzel-
nen Mannes gelegt war, der nicht bloß als Inhaber der Staatsgewalt,
sondern zugleich als Herr über die Seelen, über Himmel und Hölle
sich ansah und unmittelbare Offenbarungen von Gott zu empfangen
vorgab. Wie nackt und bloß wurde auch in diesem Stück als in einem
Zerrbild das damalige Wesen der orientalischen Kirche dargestellt.
Auch dort maßte der Kaiser sich an, zugleich der Oberherr aller
Bischöfe und der ganzen Kirche zu sein; von seinem Willen hingen die
Lehrbestimmungen ab, und die theologischen Entscheidungen galten zu-
gleich als Reichsgesetze, der Gehorsam gegen die kaiserlichen Lehrfor-
meln als nothwendige Bedingung zur Seligkeit. Und wie im Chri-
stenreich die Mönche als fanatische Vertheidiger des rechtgläubigen
Bekenntnisses auftraten, so unter Mohamed's Anhängern die Der-
wische. Wallfahrten, Gelübde, Rosenkranzbeten, Waschungen, Zehn-
ten und sonstige Aeußerlichkeiten hatte auch der Islam. Wie hätte er
mit seiner fleischlichen Bestimmung und fanatischem Eifer nicht den Sieg
gewinnen sollen über eine Kirche, die von Christo und seinem Worte und
seinem Geiste verlassen war. Für die Araber selbst aber war diese neu-
erfundene Fleischesreligion durch das wenige äußerliche Werk, was sie aus
der geoffenbarten Religion herübergenommen hatte, eine heilsame äußer-
liche Zucht, hob sie aus ihrem Götzendienst heraus, und nöthigte sie zu
einer gewissen äußerlichen Ehrbarkeit und Gottesdienstlichkeit, ohne doch
ihrer patriarchalischen Einfachheit den geringsten Abbruch zu thun.
§. 8. Umsturz der Kirche in Syrien und Palästina und
des Perserreichs.
Das von Mohamed gegründete Despotenreich schien wieder aus-
einanderfallen zu sollen, als er es bei seinem Tode verwaist zurück-
ließ. Eine Anzahl arabischer Stämme, denen die Zucht schon leid
war, fiel ab und wandte sich wieder zum ungebundenen Heidenthum.
Die treuen Anhänger stritten dagegen schon auf Tod und Leben über
den Nachfolger des Mohamed, der als Khalif die geistliche und po-
litische Gewalt zugleich in seine Hände bekäme. Endlich ward Abu
Bekr erhoben, ein einfacher und nüchterner, aber erfahrener und
schlauer Hirtensürst, der allen Reichthum und allen Lurus verachtete
und auch als Khalif noch seine Hirtengeschäfte betrieb. Eben so ein-
fach und armselig in seiner äußern Erscheinung war Omar, der dem
Abu Bekr schon nach 2 Jahren folgte (634). Aber er war zugleich
ein gewaltiger Kriegsmann und leidenschaftlicher Anhänger der
neuen Lehre, und wußte seine Begeisterung, vielmehr seinen Fanatis-