1859 -
Lübeck
: Rohden
- Autor: Rohden, Ludwig
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Realschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Evangelisches Gymnasium, Realschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
43g Xxii. §. 3. Deutschlands Wiedererhebung aus tiefster Verwirrung.
mächtigen Herrn und wirklichen Obern mehr über sich leiden woll-
ten, zwei Fremdlinge zu gleicher Zeit zu deutschen Königen erhoben
wurden, der gelehrte Alfons von Cast i lien und der reiche Ri-
chard von Cornwallis — da ging auch die letzte Spur einer
wirklichen Königsgrwalt in Deutschland verloren. Freilich regiert
haben diese fremden Fürsten, von denen der eine niemals, der
andere nur auf kurze Zeit den deutschen Boden betrat, genug und
übergenug in Deutschland. Besonders Richard bat genug Befehle
erlassen, Urkunden ausgestellt, Schenkungen gemacht, Rechte verliehen,
aber Alles auf Kosten des Reichs und zur Verminderung der könig-
lichen Macht- Alle königlichen Vorrechte kamen nach und nach in
die Hände untergeordneter Gewalten; die vornehmeren Fürsten wur-
den so gut wie selbständig, und die geringeren wollten nicht Zurück-
bleiben. Wie die Herzöge, Markgrafen, Landgrafen u. s. tt)., so wur-
den auch die Bischöfe und Aebte reichsunmittelbar, d. h. sie galten
selber als Herzöge und hatten die Grafenrechte in ihrem Gebiete,
ohne daß irgend ein Höherer über ihnen gestanden hätte, außer dem
König. Ja auch einzelne Genossenschaften, Vogteien und Städte er-
langten dieselben Rechte. Alle organische Gliederung des Lehenreiches
hörte auf, es blieb nur eine große Menge gleichberechtigter Fürsten
und Stände neben einander. Aber in dem Uebermaß des Nebels lag
auch die Noihwendigkeit und das Mittel der Heilung. So konnte
es, das fühlte Jeder, nicht länger fortgehen, die „kaiserlose schreckliche
Zeit" mußte ein Ende nehmen. Und wunderbar lenkte der Herr die
Herzen der Wähler, als sie 1273 in Frankfurt zusammentraten,
um den deutschen Landen ein neues Oberhaupt zu geben. Sie
wollten einen ja nicht allzu mächtigen Mann, der ihnen mit dem
vollen Nachdruck königlicher Machtfülle hätte entgegentreten können,
und erwählten — Rudolf von Habsburg. Gerade dieser Mann
aber war es, der nach Gottes wunderbarem Rathschluß nicht bloß
dazu bestimmt war, eine neue, bessere Zeit über Deutschland herbei-
zuführen, sondern auch jenes große und ruhmvolle Reich zu gründen,
welches deutsche Sitte und Bildung bis tief in den fernen Osten
verbreiten und Jahrhunderte hindurch die festeste Stütze unseres Va-
terlandes sein sollte.
An der biedern und frommen Heldengestalt Rud olf's von Habs-
burg erwärmt sich wieder unser deutsches Herz. Das war ein Fürst
von altem Schrot und Korn, ein Muster deutscher Redlichkeit und
Treue, nüchtern, ernst, besonnen, strenggerecht und doch so mild, freund-
lich und herablassend. Sein Andenken ist in unzähligen Liedern und