1859 -
Lübeck
: Rohden
- Autor: Rohden, Ludwig
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Realschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Evangelisches Gymnasium, Realschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
444 Xxii. §. 6. Erstes Hervortreten Frankreichs als Feind und Dränger rc.
Drei Päpste von der verschiedensten Gabe und Gemüthsart traten
nach einander auf, der eigensinnige und hochfahrende I oh an n Xxii.
(1316—34), der ehrenhafte und friedfertige Benedict Xii. (1334
—42), der weltlich gesinnte und herrschsüchtige Clemens Vi. (1342
—52). Mit allen hat Kaiser Ludwig verhandelt, aber obwohl
namentlich Benedict persönlich zu Friede und Freundschaft sehr ge-
neigt war, so waren sie doch allesammt durch die französischen Könige,
insbesondere durch den ehrgeizigen und rücksichtslosen Philipp Vi.
(von Valois) gezwungen, in der gehässigsten, unversöhnlichsten Feind-
schaft gegen Ludwig zu verharren, ihn mit Bannflüchen und Inter-
dicken, mit Absetzungsdecreten und Beraubung alles seines Besitzthums
fort und fort zu verfolgen bis an seinen Tod. Und was war
der Vorwand für alle diese Feindseligkeit? Der Papst, so lautete
die überspannte Behauptung, ist das rechtmäßige Oberhaupt auch
über Deutschland, ist der Schiedsrichter und Genehmiger der Königs-
wahlen, und kein König darf sich irgend welche königliche Handlun-
gen erlauben, ehe er nicht die Bestätigung vom Papst eingeholt hat.
Weil nun Ludwig die Bestätigung nicht nachgesucht hat, so ist er
nicht als rechtmäßiger König anzuerkennen. Dagegen erhoben sich
denn doch die deutschen Fürsten, namentlich die Kur- oder Wahl-
fürsten als gegen eine unerhörte Anmaßung und erklärten dem Papst,
daß nicht er die deutschen Könige zu wählen und zu genehmigen habe,
sondern sie. Dagegen erhoben sich gleichfalls die Gelehrten im Lande,
Theologen, Mönche, besonders die mit dem Papst zerfallenen Francis-
caner, hervorragende Laien, die mit der Feder wohl umzugehen wußten,
und schrieben gründliche Untersuchungen über den Ursprung und die
Grenzen der päpstlichen Gewalt. Es erhüben sich auch die immer
mächtiger heranblühenden Städte, die in ihrem Oberhaupt sich selber
gekränkt sahen; kurz das gesammte deutsche Volk würde ohne Zweifel
sich für den Kaiser und gegen die Päpste entschieden haben, wenn
nicht Ludwig selber durch seine Haltungslosigkeit, die oft bis zur
persönlichen Erniedrigung und Selbstwegwerfung vor den Päpsten
ging, auch seine besten Freunde wiederholt außer Fassung gebracht
hätte. So konnte es geschehen, daß am Ende dann doch ein Geschöpf
des französischen Papstes als Gegenkönig auf den Thron erhoben
wurde, Carl Iv. von Luxemburg und Böhmen (1346), der, wenn
Kaiser'ludwi g nicht gleich darauf plötzlich gestorben wäre, den Fran-
zosen auf's Neue das gern gesehene Schauspiel eines deutschen Bür-
gerkrieges bereitet haben würde.