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1. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 447

1859 - Lübeck : Rohden
Xxii. §. 7. Gottes Bußgericht in Deutschland. 447 Gnade schrieen. Wie es schon 100 Jahre früher in Italien und von dorther auch in Deutschland Sitte geworden war, so vereinigten sich auch jetzt wieder große Schaaren zu schweren Bußübungen nach der Weise der damaligen Zeit. Mit entblößtem Rücken und verhülltem Haupte gingen sie paarweise einher, und schlugen sich selber mit har- ten Riemen dergestalt, daß das Blut auf den Boden herabfloß. Tau- sende zogen so aus einer Stadt in die andere, geführt von Geist- lichen mit Kreuzen und Rauchfässern. Aus den Straßen und in den Kirchen lagerte die Menge, sich geißelnd, ihre Sünden bekennend, Litaneien singend und um Erbarmen schreiend. Und wohl mochten sie Ursache haben, sich also zu demüthigen, denn die Sünden der da- maligen Zeit waren entsetzlich und schrieen gen Himmel. Wie konnte es auch anders sein, da so lange kein Kaiser, kein König, keine allge- mein anerkannte Obrigkeit dagewesen war, welche Recht und Gerech- tigkeit nachdrücklich hätte handhaben können. Die Geistlichkeit, welche der Rohheit und Zuchtlosigkeit unter dem Volke hätte wehren und auf die Verbesserung der sittlichen Zustände hätte hinwirken sollen, war selbst unglaublich tief gesunken. Die meisten Priester konnten kaum lesen, lebten in offenbarer Hurerei, und waren Helden im Zechen. Die Mönchs- und Nonnenklöster waren so voll Liederlichkeit und ge- meiner Wollust, daß ehrbare Eltern anstanden, ihre Söhne oder Töch- ter dahinein zu senden. Die Gottesdienste bestanden aus Nichts als Messelesen und sonstigem tobten äußerlichen Werk. Vom Wort Got- tes und Predigt war keine Rede. Nur die Bettelmönche und unter diesen auch nur die Franciscaner, fuhren auch jetzt noch fort, sich seel- sorgerisch und predigend umherziehend des armen Volkes anzunehmen. Aber auch die Franciscaner waren in einer ärgerlichen Spaltung be- griffen. Der größte Theil suchte sich gleich wie die Dominicaner von dem Joche der Armuth loszumachen und die strengen Regeln des Franciscus durchbrechend, sich die Genüsse des Reichthums wieder zugäng- lich zu machen. Die strengere Partei war sogar von dem Papst in den Bann gethan und in die gleiche Classe gesetzt mit den Brüdern des gemeinsamen Lebens, den Begharden und anderen freien Vereinen, welche nach Möglichkeit ein gottesdienstlich apostolisches Christenleben wiederherstellen wollten und deshalb von der Geistlichkeit der Ketzerei bezüchtigt wurden. Fragen wir nun nach den Erfolgen jener schweren Heimsuchungen Gottes, die jetzt nach 500 Jahren, wenn auch in abgeschwächter Form wiederzukehren schienen, so müssen wir sagen, sie haben damals wie jetzt wenig ausgetragen. Denn auch jene Flagellanten oder Buß-
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