1859 -
Lübeck
: Rohden
- Autor: Rohden, Ludwig
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Realschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Evangelisches Gymnasium, Realschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
Xxii. §. 14. Äliedererhebung Frankreichs rc. 471
Mäßigung und Nüchternheit, Vaterlandsliebe und Selbstverleugnung,
kurz aller jener patriarchalischen Tugenden, welche man an den früheren
Staaten des classtschen Alterthums bewundert. Aber wie war das
allmälig so anders geworden! Bald ward die schweizerische Eidgenos-
senschaft allen ihren Nachbarn furchtbar und widerwärtig, nicht so
sehr durch ihren Waffenmuth und ihre Unwiderstehlichkeit, als viel-
mehr durch ihren Uebermuth, ihre Fehdelust, ihre Herrschsucht, ihre
Nichts achtende Rücksichtslosigkeit, wo es galt, den eignen Vortheil zu
wahren. Schon begannen sie, trotzend auf ihren Kriegsruhm, auch
über ihre Landesgrenzen hinauszugehen, um in fremdem Sold, für
fremdes Interesse, eine käufliche Schaar, gegen fremde Feinde zu fech-
ten. Da hatte sie Frankreich gefangen. Von aller Verpflichtung
gegen Deutschland wußten sie sich loszumachen. Sie wollten we-
der zur Reichssteuer noch zum Reichsaufgebot künftig mehr zugezogen
werden, unter den höchsten deutschen Gerichtshof wollten sie sich nicht
stellen. Dagegen mit Frankreich hatten sie bereits 1474 jenenver-
hängnißvollen Vertrag geschlossen, wonach sie ihre gesammte Jugend
für hohe Kaufsummen und Jahrgelder in den Dienst des französischen
Königs verkauften. Von jetzt ab sehen wir die abtrünnigen Söhne
des deutschen Reichs nicht bloß im Innern Frankreichs gegen die
Feinde der französischen Krone, sondern auch draußen in Frankreichs
Solde gegen ihre deutschen Brüder fechten. Nachdem sie 1491 Kö-
nig Karl Viii. auf seinem Eroberungszuge nach Neapel begleitet
haben, helfen sie Ludwig Xu. das deutsche Reichslehen Mailand
und Genua gewinnen und Venedig demüthigen. Dann wandten sie
sich einen Augenblick von dem allzu sparsamen König ab und verkauf-
ten sich an den kriegerischen Papst Julius Ii., der ihnen größere
Summen bot, um gegen die Franzosen zu kämpfen. Nach einiger
Zeit ließ ein Theil von ihnen sich doch wieder von Frankreich gewin-
nen, während der andere Theil noch auf Seiten der Gegner blieb.
Schon fochten unter den entgegengesetzten Bannern Schweizer gegen
Schweizer. Die einst so freiheitsftolzen Söhne des Gebirges ließen
für Geld sich herbei, den Gladiatorensklaven der Römer gleich, nach
dem Befehl ihrer fremden Herren das eigne Blut im Bruderkampf
wider einander zu verspritzen.
Die Wiedererhebung Frankreichs aus dem tiefen Verfall, in wel-
chen die englischen Kriege es gestürzt hatten, beginnt mit den letzten
Jahren König Karl's Vii. Durch etliche wohlgewählte und klug
vollendete Einrichtungen stellte er die französische Königsmacht, und
damit die Macht ganz Frankreichs wieder auf eine Höhe, zu der die