Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 576

1859 - Lübeck : Rohden
576 Xxv. §. 4. Pietismus und Rationalismus in Deutschland. edelsten Kleinodien unseres christlichen Glaubens mit ungeweihten Hän- den herumzutasten, und hörte damit auf, daß man die Perlen aus den Händen warf und sich an den elendesten Kieseln ergötzte. Indem so das protestantische Deutschland den verderblichen, abwärts führenden Weg einschlug, schien es, als wollte der neu aufstrebende Hort des Protestantismus, der preußische Staat, alsbald mit kräftiger Hand eingreifen und die irrende Menge zurücklenken. Nach dem Tode Friedrich's I. (1713) hatte König Friedrich Wilhelm I. den preußischen Thron bestiegen, und einen entschiedenern Widersacher alles französischen, freigeisterischen oder sectirerischen Wesens wird man nicht leicht finden. Nichts als soldatische Einfachheit, hausväterliche Strenge, deutsche Aufrichtigkeit und Geradheit finden wir an seinem Hofe. Aller unnöthige Prunk, alle französischen Hofämter und Manieren, alles Ce- rimonielle, alle Kunst, alle Gelehrsamkeit war völlig verbannt, nur der Hofnarr war ein Gelehrter und durfte auch französische Kleidung tra- gen. War nun auch die grundsätzliche Verachtung und Fernhaltung aller feinem Bildung keineswegs zu loben, so muß man sich doch auf der andern Seite der damit verbundenen Sittenstrenge und Ehrbarkeit freuen, die nicht nur am königlichen Hofe, sondern überall in Stadt und Land herrschen mußte, so weit nur der Arm und das Auge des Königs reichte. Von der französischen Leichtfertigkeit in Kleidung, Rede, Scherz und Umgang, besonders mit dem weiblichen Geschlecht, durfte in des Königs Umgebung keine Spur sich blicken lassen. Von irreligiösen Lehren und Grundsätzen durfte ihm auch nicht eine Andeu- tung nahen. Jenen Professor Wolfs in Halle, von dem man ihm gesagt hatte, daß er gefährliche Behauptungen vortrage, jagte er über Hals und Kops aus seinem Lande bei Strafe des Stranges. Kirchlichkeit und Rechtgläubigkeit waren unerläßliche Forderungen, wo Jemand in sei- nem Dienst angestellt werden oder seines Schutzes sich erfreuen sollte. In den strengsten kirchlichen Formen ließ er seinen Sohn (Friedrich Ii.) erziehen. Nach allen Seiten hin wachte er mit gewissenhafter Treue über dem Recht und Wohl der protestantischen Gemeinden und ließ nicht zu, daß ihnen irgendwo zu nahe getreten wurde. Wo sie ver- trieben wurden, wie 1733 die Protestanten aus Salzburg, nahm er sie mit väterlicher Freundlichkeit in seinem Lande auf. Jndeß auch die wohlgemeinten Maßregeln Friedrich Wilhelm's I. konnten doch die evangelische Kirche nicht vor dem hereinbrechenden Unglauben schützen. Schon darum nicht, weil das eigne Beispiel des gottseli- gen Wandels in der Nachfolge Christi bei dem preußischen König fehlte. Eine Sinnesänderung war nicht in ihm vorgegangen, den Trost des heiligen Geistes hatte er nicht geschmeckt. Es war der derbe, natürliche Mensch mit allen seinen Tugenden und Gebrechen in einein streng kirchlichen Gewände, aber aller höhern Verklärung bar und ledig. Darum konnte auch sein Eingreifen in die kirchlicheil An- gelegenheiten meist nichts Anderes sein als eiil rohes Zufahren in der- selben despotischeil Willkürlichkeit, die seiner ganzen Regierungsweise eigen war. Man fürchtete sich wohl, man beugte sich, man ließ es sich gefallen, aber innerlich wurde der Gegensatz, die geheime Wider-
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer