1859 -
Lübeck
: Rohden
- Autor: Rohden, Ludwig
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Realschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Evangelisches Gymnasium, Realschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
Xxv. §. 8. Napoleon, die Geißel Gottes über die Welt. 603
Murai abgeben und König von Spanien werden. Denn „die
Linie der Bourbons hat aufgehört in Spanien zu regieren", entschied
der Gewaltige in einer Anwandlung weltgebieterischer Willkür. Es
war ihm so natürlich, Könige abzusetzen und einzusetzen. Schon hatte
er den Hof von Portugal nach Brasilien verjagt; die spanische
Königssamilie lockte er mit lügnerischen Vorspiegelungen nach Frank-
reich und nahm sie dort gefangen. Er hatte gar keinen Zweifel, daß
er der Gott Europa's sei. Alles beugte sich ja vor ihm, Alles gelang
ihm, Alles diente zur Vermehrung seines Ruhms und seiner Größe.
Kein Feind wagte es mehr, sich gegen ihn zu erheben — wenn nur
England und seinen Flotten wäre beizukommen gewesen, wenn nur
Rußlands drohende Gestalt nicht immer noch im Hintergründe ge-
standen hatte, wenn nur nicht in Spaniens glühenden Schluchten
und Wäldern eine Ration sich vertheidigt hatte, die durch keine Nie-
derlage zu schwachen, durch keine Drohungen und Strafen einzuschüch-
tern, durch keine Freundlichkeit und Versprechen zu locken war, die
ein französisches Heer nach dem andern vernichtete und mit unbeug-
samer Zähigkeit an ihrem Glauben, ihrer Königsfamilie, ihren Rech-
ten und heimischen Gewohnheiten festhielt.
Napoleon stand auf dem Gipfel seiner weltgebietenden Herrlich-
keit. Von den Meerengen Messina's und Gibraltars reichte sein Scepter
bis an die Ostsee und bis an den Sund. In Neapel und Madrid
nicht minder als in Hamburg und Warschau galten die französischen
Decrete als das letzte Entscheivungswort. Da war es dem großen
Verderber die höchste Lust, nach willkürlicher Launenhaftigkeit, ohne
wahrnehmbaren Grund, ohne Vorwand alte geheiligte Bande zerreißen,
geschichtliche Erinnerungen vernichten, das Oberste zu unterst kehren.
Quälen, ängstigen, schrecken, verwirren, das waren seine Regierungs-
grundsätze; je frecher desto besser, je unglaublicher desto sicherer, je grau-
samer desto erfolgreicher. Wir Deutschen haben davon sogleich noch
ein besonderes Lied zu singen. Jndeß trotz aller Macht und aller
Schlauheit wollte es ihm doch bisweilen scheinen, als ob er die Ge-
rn üth er seiner Unterthanen sich nicht ganz und richtig unterwerfen
könne, als bleibe im Innersten noch ein Rest von Widerstand, von
Abneigung, der zwar nie sich nach außen zeigen, den meisten Leuten
gar nicht einmal zum Bewußtsein kommen mochte, der aber doch der
stolzen Machrfülle des Weltgebieters wesentlichen Eintrag that. Ueber-
haupt, das hatte der schlaue Mensch schon lange erkannt, Gewaltmittel,
Furcht und Schrecken dienen zwar dazu, die Maschine nach dem Willen
ihres Gebieters zu lenken, aber sie geben nicht die Freudigkeit der Be-
wegung. Solche Freudigkeit und hingehende Willigkeit des Gehor-
sams, das sah er wohl, wird nur durch die Religion, durch das Chri-
stenthum, durch die Kirche in dem Menschenherzen bewirkt. Deshalb