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1. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 607

1859 - Lübeck : Rohden
Xxv. §. 8. Napoleon und die Päpste. 607 Landschaften des Papstes in Italien wurden ihm von dem übermüthigen Herrscher vorenthalten, und in Frankreich verfuhr er trotz Concordar und aller Versprechungen nun vollends, als ob kein Papst und keine Kirche in der Welt wäre. Er richtete die Schulen wieder ein, die in der Revolutionszeit gänzlich verfallen und aufgelöst waren, aber er machte sie zu rein politischen, man könnte sagen, zu rein militärischen Anstalten, in denen die Kinder zwar zu wohlgeschulten Staatsbürgern, zu wohlvorbereiteten Kriegsleuten herangebildet wurden, aber fern blieben nicht bloß von aller geistlichen, sondern von jeder höher» gei- stigen Bildung und Anregung überhaupt. Von Wissenschaft, außer so weit sie zum Kriegswesen gehört, von Kunst und tieferem Studium, war eigentlich gar nicht die Rede. Das Christenthum ward als Ne- bensache verachtet, der Kirche, von der doch früher alle Schulen aus- gegangen waren, ward gar kein Einfluß mehr gestattet, die Jugend ward absichtlich angeleitet, sich um die Kirche so wenig als möglich zu bekümmern. Ein Katechismus ward eingeführt, worin gelehrt wurde, Napoleon als rechtinäßigen Kaiser verehren, das sei der rechte Got- tesdienst. Weiter. Die Kirche verlangte die Wiederherstellung der Klöster, der Orden. Napoleon wies das weit von sich. Was sollten ihm Mönche? Die konnte er ja nicht zu Soldaten machen. Die Kirche verlangte ihren alten Einfluß wieder in den Gerichten, in der Gesetzgebung. Napoleon ließ ein neues Gesetzbuch anfertigen, welches noch immer als die Summe gesetzgeberischer Weisheit gepriesen wird. Aber von Gott, von Christenthum, von Kirche weiß das na- poleonische Gesetzbuch so gut wie gar nichts, die Christenheit ist für dasselbe eigentlich gar nicht da, sondern nur ein Haufe von Staatsbür- gern, die regiert werden sollen; aus dem Boden einer völligen Unkirch- lichkeit, ja Religionslosigkeit ist es hervorgewachsen, alle heiligen Be- ziehungen liegen ihm fern, die heilige Ordnung der Ehe, welche von den Katholiken als Sacrament verehrt wird, faßt es als einen gemein- bürgerlichen Vertrag, der vor obrigkeitlichen Personen abgeschlossen wird. Der Papst hoffte bei alle dem noch immer das Beste. Er meinte, durch persönliche Vorstellungen, durch freundliche Bitten und Belehrungen ließe sich bei Napoleon etwas erreichen. Wie wenig kannte er diesen Menschen ohne Herz, ohne Gemüth, ohne Gefühl, ohne Gewissen, bei dem nie etwas Anderes als der kalte, lauernde, berech- nende Verstand in Thätigkeit war, und der hinter aller seiner Schau- spielerei, hinter allen süßen Locktönen schmeichlerischer Verheißungen doch immer nur den einen Abgott, das nackte, kahle Selbst zu ehren und zu heben gemeint war. Durch die gleißnerischen Versprechungen des Gewalthabers, durch seine eignen gutmüthigen Hoffnungen, für das Wohl der Kirche etwas wirken zu können, ließ sich Pius Vii. (1804) verleiten, selber nach Paris zu reisen, um den neu eingesetzten Kaiser feierlichst zu krönen und zu salben. Aber wie bitter sah er sich ge- täuscht. Welche schmerzliche Demüthigungen mußte er von diesem rück- sichtslosen Anmaßer hinnehmen. Die persönlichen Kränkungen hätte er wohl noch gern ertragen, aber daß er zum Wohl der Kirche nichts, auch gar nichts erreichen konnte, auch in diesem Augenblick nicht, da er
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