1869 -
Mainz
: Kunze
- Autor: Herbst, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Hilfsbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Realschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Gymnasium, Realschule
- Inhalt: Zeit: Alte Geschichte, Antike
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Die Vorstellungen der Römer von ihren Göttern waren
vermöge ihres praktischen Sinnes nüchtern und kahl; die eigent-
liche Mythenbildung, wodurch sich die Griechen auszeichneten,
fehlte ihnen ganz. Aber die Religion der Römer ist nicht lange
einfach und rein geblieben, es schlichen sich im Laufe der Zeiten
so viele fremde Elemente ein, daß sie schließlich ein Gemisch der
verschiedensten religiösen Systeme und Culten wurde.
Schon unter den Tarquiniern wird die Religion sowohl als
der Cultus entwickelter, Tempel und Bild er statt des Symbols*)
entstehen, neuer Götterdienst wird eingeführt ; es beginnt in Folge
des Verkehrs der Römer mit den griechischen Colonien in Italien,
namentlich mit Cumä, die Hellenisirung der römischen Religion;
Apollo, Hermes, Ceres, Liber oder Bacchus, Pluto, Libera oder
Proserpina, Aeseulap, die Erycinische Venus, Hercules werden
von den Römern ausgenommen. Von Cumä kamen die fibylli-
nischen Bücher, woraus wichtige Staatsorakel herausgelesen wurden.
Aus den eroberten griechischen Städten wanderten die Götterbilder
nach Rom, die hellenischen Mythen wurden auf römische Götter
übertragen, auch wurden griechische und römische Gottheiten iden-
tificirt. Mit der Zeit bürgerten sich die sämncklichen griechischen
Gottheiten mit ihren Mythen und Sagen bei den Römern ein.
Mit der weiteren Zunahme der römischen Herrschaft erweiterte
sich auch der Kreis der Götter, die nebst ihrem Cultus aus
Aegypten und Asien nach Rom wanderten; aus Phrygien kam
die große idäische Mutter. Mit der Republik verfiel auch die *
Religion; Sinn und Geist wich immer mehr aus derselben, es
bleiben nur Formeln und Ceremonien übrig, die in den Dienst
der Politik gezogen wurden.
Das Leben des Römers war von Religion ganz durchdrungen
und beherrscht; er that keinen wichtigen Schritt, ohne die Götter,
von denen er sich abhängig fühlte, zu befragen. Aber auch hier-
bei hatte er einen praktischen Zweck, er wollte nur ihre Gunst
gewinnen, ihren Zorn abwenden.
Der Wille der Götter wurde erforscht:
1) durch Auspicien, durch Beobachtung des Fluges und Ge-
schreies der Vögel, des Blitzes, später auch des Fressens der
heiligen Hühner.
*) Jupiter wurde ursprünglich in einem Steine, Mars in einer Lanze,
Lesta in dem Feuer verehrt.