1869 -
Langensalza
: Beyer
- Autor: Kaiser, Hermann
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
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Verhandlungen gepflogen bezüglich derbeidcrseitigenabrüstung.
Preußen läßt wegen der Abrüstung am 15. April eine Depesche
nach Wien abgehen, und Oesterreich macht hierauf am 19. April den
Vorschlag, einen Termin zur gegenseitigen Abrüstung festzu-
stellen, und erbietet sich zugleich, am 25. April mit derselben be-
ginnen zu wollen, worauf Preußen am 26. April folgen solle.
Preußen erklärt in seiner Antwort, daß die militärischen Vorkeh-
rungen lediglich durch die österreichischen Truppenbewegungen her-
vorgerufen worden seien, und es werde in gleicher Weise mit all-
mäliger Verminderung des erhöhten Standes seiner Armee Vor-
gehen, in welchem Maße die österreichische Abrüstung erfolge. Man
beschuldigte sich hüben und drüben, daß der Andere zuerst und am
meisten gerüstet habe, ohne eine Ausgleichung zu erzielen, beson-
ders da Oesterreich seine Entwaffnung nur auf einige Tausend
Mann beschränken wollte, die aus Böhmen zurückgezogen werden
sollten. Offenbar spielte Oesterreich ein falsches Spiel. In
Berlin hatte man bereits schon am 16. März erfahren, daß es
den deutschen Bund aufrufen werde, damit er gegen Preußen
einschreite. Aus diesem Grunde hielt es die preußische Regie-
rung für eine unabweisliche Pflicht, wachsam und gerüstet zu sein.
Ein Angriffskrieg lag durchaus nicht in der Absicht Preußens,
das bloß sein Heer verstärkte, um die zunächst bedrohten Grenzen
zu schützen. Dennoch aber trat Oesterreich wegen dieser noth-
gedrungenen Anordnungen klagend gegen die preußische Regie-
rung auf, indem es dieselbe der Friedensstörung beschuldigte.
Auf das Verlangen, die kriegerischen Vorkehrungen rückgängig zu
machen, erklärte sich auch, wie bereits oben bemerkt wurde, Preu-
ßens König sofort bereit, wenn Oesterreich dasielbe thue. Das
Versprechen Oesterreichs, abrüsten zu wollen, ward nur zum
Schein gegeben; denn es setzte seine Rüstungen nur noch stärker
fort und suchte heimlich die übrigen deutschen Staaten gegen Preu-
ßen aufzustacheln. Auch Preußen bemühte sich, die Regierungen
der deutschen Mittelstaaten für sich zu gewinnen, indem es diesel-
den ausforderte, mit ihm das deutsche Volk zu berufen, um eine
Verbesserung der Bundesverfassung anzustreben und da-
durch den Frieden in Deutschland zu sichern. Doch weder der
Kaiser von Oesterreich noch viele andere deutsche Fürsten, die sich
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