1. Bd. 2
- S. 69
1844 -
Leipzig
: Kollmann
- Autor: Fortmann, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
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Häufung en kam zurück. Schon unterwegs hatte er ge-
hört, daß Friedrich jene Auslösungssumme für den Anführer Pflug
bezahlt habe; ihm fiel es daher um so weniger ein, an einer
ähnlichen Wohlthat zu zweifeln, als er voraussetzen konnte, daß
dem Churfürften seine Lage bekannt, und derselbe wohl wisse, wie
wenig er im Stande scy, eine für die damalige Zeit so beträcht-
liche Summe zu erschwingen.^ Voller Zuversicht kam er in Altcnbnrg
an und eilte, in der Hoffnung, von dem Churfürsten mit ausge-
zeichneter Güte empfangen zu werden, nach dem Schlosse. Aber
wie erstaunte Kaufungen, als ihm Friedrich den Zutritt versagte,
ja — nach der Behauptung Mehrerer — sogar gebot, das Land
zu meiden. Erschüttert stand der Ritter da; sein ganzer Stolz
war aufgeregt; alle Diener des Schlosses, glaubte er, sahen nur
auf ihn; beschämt ging er in die Herberge zurück. --
Kunzens Aufnahme im Schlosse war kein Gehekmniß geblie-
den; die Geschichte derselben durchlief die Stadt, und selbst schon
in der Herberge mußte der Gedemüthigte manche Aeußerung hö-
ren, welche sattsam bewies, daß er bald der Gegenstand des all-
gemeinen Stadtgespräches, des allgemeinen Spottes seyn werde.
Noch einmal wollte er einen Versuch wagen, — nicht so sehr
seiner vermeintlich wohlbegründeten Forderung wegen, als viel-
mehr, vor allem seine Ehre zu retten. Es war Mittags, als er
vor dem Schlosse ankam und der Zufall wollte, daß eben der
Churfürft sich nach dem Garten begab. Kaufungen folgte ihm;
bald begegnete er dem Fürsten, der, wenn er auch diese Zusam-
menkunft nicht gern sah, ihr doch nun nicht mehr ausweichen
konnte. Möglich, daß der sanftmüthige Friedrich sich jetzt für
den Bittenden bestimmt haben würde; so aber trat Kaufungcn
nicht als solcher, sondern alsein Gläubiger auf, derein über-
wiegendes Recht zu haben wähnte. „Ich erwarte jetzt — schloß
er seine Rede — nicht Gnade; ich fordere, was Andere erhielten,
Entschädigung für meinen Verlust, jene Summe aus euerem
Schatze, die ihr dem Pflug und Anderen bewilligtet!" Gelassen
widerlegte Friedrich seine Gründe und bemühete sich, ihm ihr ge-
genseitiges Verhältniß aus einem anderen Gesichtspunkte vorzu-
stellen; er suchte ihm begreiflich zu machen, wie er nicht als
Vasall, sondern freiwillig, als Söldner ihm gedient, daher er,
der Churfürst, seine Gefangenschaft bei Gera in keiner Hinsicht
zu verantworten, also auch nicht die Verpflichtung auf sich habe,