1. Bd. 2
- S. 81
1844 -
Leipzig
: Kollmann
- Autor: Fortmann, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
81
die meisten betrogen sich; fast alle sielen in die Hände ihrer Ver-
folger. Nur einige kamen davon. — Durch diesen Aufenthalt
hatten die beiden Ritter wieder etwas Zeit gewonnen. Mit der
höchsten Anstrengung ihrer Pferde holten die Entkommenen sie
ein und berichteten den Verlust. Aber rechts und links auf
ihrem Wege ertönten die Sturmglocken, die Landleute liefen
zusammen und jeden Augenblick war ein neuer Angriff zu
befürchten. Der Prinz jammerte laut und wollte, von dem
rasenden Ritte entkräftet, nicht mehr fort. Mosen, in Ver-
zweiflung, drohte ihn augenblicklich zu erschießen, wenn er
nicht willig folge. Der Prinz schwieg furchtsam und sie ritten
ungehindert, auf Nebenwegen, bei Leichtenstein durch das Wie-
senchal und dann in die Berge hinein. — Aber als ihnen auch
hier wieder das Läuten nachfchallte, als sie hinter sich schon
berittene Haufen umher streifen sahen, da verging ihnen der
Muth fast ganz.
„Jetzt kann uns nur noch Eins Rettung schaffen — sagte
Mosen — und das ist, daß wir uns so schnell wie möglich ver-
bergen. Im Thale unterm Hartenstein bietet sich uns ein Schlupf-
winkel dar; drum versuchen wir, dieses zu erreichen, noch das
Aeußerste!" und Sporen und Peitsche setzten die müden Rosse
noch einmal in Galopp, wahrend das anhaltende Sturmläuten
die Zahl ihrer Verfolger mit jedem Augenblicke mehrte. Schon
war die Sonne im Sinken, da stürzte, nicht mehr weit von
Hartenstein, Mosens Pferd. Entschlossen ließ er cs liegen und
nöthigte auch die Andern, die ihrigen zu verlassen. Frisch er-
kletterten sie dann, den Prinzen an der Hand, die vor ihnen
liegende steile Höhe, gingen rasch durch Buschwerk und Gestein
quer über die mäßigen Berge und langten nach einer Stunde aus
dem Rücken des Mehltheuer an. Bald hatten sie die Teufels-
kluft erreicht. Mosen zeigte seinen Begleitern den sich den Felsen
aufwärts windenden Pfad und ermunterte sie, hinan zu klimmen;
der weinende und über diesen schauerlichen Aufenthalt erschreckte
Prinz wurde hinauf gehoben. — Die Teufelskluft, eine am
rechten Ufer der Mulde liegende Höhle, ist ein, von zwei oben
vereinten starken Felsen gebildetes, bloßes Werk der Natur; sie
hat die Gestalt einer Pyramide, dehnt sich vorn breit und hoch,
so daß man gerade hinein gehen kann, hinten aber nur zu halber
Mannshöhe aus. Ihre Länge beträgt sechsunddreißig, ihre Breite
Ii. ü