1. Bd. 2
- S. 132
1844 -
Leipzig
: Kollmann
- Autor: Fortmann, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Ludwigs Anstiften einen verheerenden Einfall in Brabant gethan
hatten. Die Uebrigen fingen an, zu unterhandeln und fanden
den König so geschmeidig, dasi das Friedensgeschäft sehr leicht
von statten ging. Ludwig bewilligte einem Jeden, was er ver-
langte, und versprach noch überdies eine Commission zu ernennen,
die sich nicht nur ernstlich mit der Abstellung sammtlicher Beschwer-
den, sondern selbst mit einer Generalreform des Staates beschäf-
tigen sollte. Alles ward auf's Heiligste beschworen und besiegelt
(5. und 29. Octbr.), und die Fürsten zogen befriedigt mit ihren
Truppen ab. Aber nicht lange, und schon hielt der König eine
Versammlung der Stande, um von dem Vertrage diejenigen
Punkte für Null zu erklären, die seinem Interesse am meisten
entgegen liefen.
Seinen Unterthanen den bittern Kelch der um drei Millio-
nen erhöheten Abgaben so viel möglich zu versüßen, fuhr Lud-
wig in seiner Herablassung gegen sie fort. Er aß oft bei vor-
nehmen Bürgern zu Mittag, wohnte den Volkslustbarkeiten bei,
ließ sich in die Zünfte der Handwerker aufnehmen, hob ihre
Kinder aus der Taufe und erwies ihnen andere kleine Gefällig-
keiten bei jeder Gelegenheit. Nichtsdestoweniger mußte sein
Schatzmeister für die schnellste Herbeitreibung der Steuern und
pünctliche Besoldung der Truppen sorgen, während seine Unter-
händler an den kleineren Höfen seiner Vasallen sich es amsig
angelegen ftyn ließen, die Fürsten unter einander selbst zu entzweien
und unter ihnen den Saamen der Eifersucht auszustreuen» Auch
gelang es ihm, sowohl den Herzog von Berry, seinen Bruder,
mit dem Herzoge von Bretagne zu veruneinigen, wie noch über-
dies den Verbündeten den Herzog von Bourbon, seinen Schwa-
ger, zu entziehen, und Letzterer, den er durch eine Heirathsstiftung
gewann, blieb auch wirklich der königlichen Partei bis an sein
Ende getreu. Nur bei dem stolzen Karl von Burgund, Grafen
von Charolois, waren alle seine politischen Künste fruchtlos.
Vergebens versprach er ihm Beistand gegen die Lütticher, wenn
er das Bündnis; mit Bretagne aufheben wolle. Karl antwor-
tete, nichts werde ihn jemals bewegen können, seinen Freunden
ungetreu zu werden, und führte eine noch nachdrücklichere Sprache
von dem Tage an, wo er durch den Tod seines Vaters zur Negie-
rung gelangte. Einen abermaligen Gesandten entließ er mit den
Worten: „Ich ersuche den König, nichts gegen Bretagne zu unter-