1. Bd. 2
- S. 144
1844 -
Leipzig
: Kollmann
- Autor: Fortmann, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
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gen, und ging dann, völlig ausgeföhnt und befriedigt, in seine
neue Provinz Guienne ab (September 1469).
Jetzt sah sich Ludwig von allen Seiten gedeckt, und im
Besitze eines schon wieder reichlich gefüllten Schatzes war er im
Stande, etwas nach außcnhin zu unternehmen. Er setzte sich da-
her in trefflichen Kriegsstand und fing nun an, Karl zu reizen.
Anfänglich wurden von ihm Richter nach Flandern geschickt, um
dort gerichtliche Vorladungen anzufangen, zugleich auch Appellati-
onen burgundischcr Unterthanen an das Pariser Parlament an-
genommen, ungeachtet er auf die Befugniß zw beidem in dem
Vertrage von Peronne feierlich Verzicht gethan hatte, und als-
dann nahm er dem Herzoge drei Propftcien wieder weg, die er
durch seine Truppen besetzen ließ. Karl ergrimmte über diese
Frechheit und ließ sowohl die von Ludwig geschickten Richter,
wie die Befehlshaber der Mannschaft, welche jene seine Lehn-
guter besetzt hatten, in's Gefängnis; werfcn.
Dics war cs, was Ludwig wollte. Nun berief er eine Ver-
sammlung der Notablen nach Tours (Nov. 1470) und klagte
den Herzog öffentlich des Friedensbruchcs an. Die Versammlung,
lauter Männer, welche der König selbst dazu ausgcwählt hatte,
erklärte den Herzog des Majestätsverbrcchcns schuldig und stimmte
cinmüthig dahin, daß er, als königlicher Vasall, vor das Pari-
ser Parlament zur Rechenschaft zu laden scy. Die Vorladung
ward sogleich nach Gent durch einen Staatsboten abgefertigt,
den aber Karl in Ketten legen, eine Weile schmachten und dann
wieder entlaufen ließ. — Nun war der Krieg erklärt. Ludwigs
schon lange bereit stehende Truppen mußten plötzlich, mitten im
Winter, in Flandern einbrechen und so viele Städte besetzen,
wie sie nur immer bekommen konnten. Der Herzog hatte nicht so-
gleich sein Heer beisammen; auch war er bei aller Tapferkeit kein
so geschickter Feldherr, als die beiden französischen Anführer, der
Connétable von St. Paul und der Graf von Damm art in.
Ec that sogar durch mehrere Unbesonnenheiten den Feinden be-
trächtlichen Vorschub, und es endete dieser Feldzug zu Karls
großem Kummer mit der Verwüstung ciiicê schönen Striches sei-
ner Staaten. Er glaubte, cs würde anders gekommen seyn,
wenn er nicht unvorbereitet überfallen wäre, und suchte deshalb,
um die versäumte Vorsicht nachzuholen, einen Waffenstillstand
zu erhalten, welcher auch wirklich auf ein Jahr zu Stande kam»
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