1. Bd. 2
- S. 246
1844 -
Leipzig
: Kollmann
- Autor: Fortmann, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
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Achtung, und Zizime sah sich am Throne seines Erbfeindes wenig-
stens so sicher, als im Schlosse der Rhodcnser Ritter.
Bald darauf aber starb der dem fürstlichen Flüchtlinge
wohlwollende Papst Innocenz Viii., und Alexander Vi., sein
Nachfolger, entehrte und besudelte die heilige Tiare durch jedes
Laster. Wie hätte dem Zizime's Schicksal anders von Werth
seyn können, als insofern, daß es ihm Geld cinbrächte! Der Un-
glückliche ward der Aufsicht seiner treuen Ritter entrissen und, so
gegen das Völkerrecht, als gegen die ihm, wie dem Könige von
Frankreich gelobte Treue, gefangen in die Engelsburg gesetzt.
Der Papst ließ Bajazet sogleich davon unterrichten und wurde
mit diesem über den Preis von 40,000 Ducaten einig, welche
er ihm für die Fcsthaltung seines Bruders jährlich zahlen wollte»
Die Welt schauderte vor einem damals so unerhörten Ein-
verständnisse. Sie sollte bald noch mehr staunen! Karl Viii.
von Frankreich wollte die von dem Grafen Karl von Maine
seinem Vater vermachten und auf ihn vererbten Ansprüche auf
das Königreich Neapel geltend machen, dessen unrechtmäßigen
Beherrscher der Papst in Schutz nahm. Karl verachtete den
päpstlichen Wüstling und drohte ihm mit Absetzung; wogegen
dieser die Unverschämtheit so weit trieb, daß er sich gegen den
allerchristlicksten König mit dem Sultane in ein Bündniß
einließ. Sein Nuntius ging an Bajazcts Hof und stellte die-
sem vor, wie nur wegen Zizime der Papst Gefahr laufe, in Nom
angegriffen zu werden und er nur deshalb auf einen Krieg gefaßt
seyn müsse! wobei er hinzu fügte, daß es demselben, um sich
Karls Absichten auf Zizime zu widersetzen, gänzlich an Mitteln
fehle. Er bat Bajazet deshalb, ihm die Pension für seinen
Bruder auf drei Jahre im Voraus zu bezahlen, und gab von ferne
zu verstehen, daß die Person des Prinzen, für den auch der Sul-
tan von Egypten eine beträchtliche Summe verspräche, dem
Meistbietenden preisgegcben sey.
Bajazet verstand den Wink. Der Gesandte empfing Voraus-
bezahlung auf drei Jahre, und cs ward ihm außerdem ein über-
aus höfliches Schreiben vom Großsultan an den Papst einge-
händigt, worin er diesem für die Ermordung Zizime's noch über-
dies Z,oo,000 Ducaten versprach. „Mein Bruder — hieß cs
unter anderm darin — schmachtet in Deinem Gefängnisse. Schon
ist er halb todt; wer ihn ganz tvdtct, wird seine Ruhe und die
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