1. Bd. 5
- S. 18
1845 -
Leipzig
: Kollmann
- Autor: Fortmann, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
18
In allen seinen Pfeilern wankte der kleine, zerstückelte Staat.
In der Mitte eines Krieges verschlungen, der halb Europa in
Flammen setzte, schien er, zumal unter einem Negimente, das
die traurige Verwirrung nur mehren half, seiner gänzlichen Auf-
lösung gewiß und nur noch des letzten Stoßes gewärtig zu seyn,
von dem er völlig Zusammenstürzen sollte. — Wie in dieser
Lage der Dinge der große Churfürst, Friedrich Wilhelm, die
Zügel der Regierung mit kräftiger Hand ergriff und nicht allein
den Staat dem Verderben entriß, sondern auch den wahren
Grund zur künftigen Größe des Hauses Brandenburg legte, ist
schon zum Theil in den Denkwürdigkeiten aus der Geschichte die-
ses Fürsten erzählt worden. Die sämmtlichcn Besitzungen dessel-
den waren: die Mark Brandenburg, die Herzoglhümer
Hinterpommern, Ostpreußen, Magdeburg und Cleve,
die Fürstenthümer Halberstadt und Minden, und die Graf-
schaften Mark, Ravensberg und Reinste in; zusammen
eine, wiewohl sehr zerrissene, Fläche Landes von wenig mehr als
2000 Q.uadratmcilen, also nur etwa zwei Fünfteln des jetzigen
preußischen Ländergebiets. Alle diese Länder verdankten ihm ihre
Wiedergeburt und eine ganz neue Organisation, klm den Anbau
des verwüsteten Landes und der so sehr gesunkenen Städte zu
erhalten und zu befördern, wurde nicht nur Handwerkern, Schä-
fern, Hirten und Knechten verboten, das Land zu verlassen,
sondern auch fortwährend fremde Colonisten ausgenommen und
begünstigt. Der Churfürst befahl, daß jeder Bewohner kleiner
Städte und Flecken ein Stück Landes hinter seinem Hause abhe-
gen sollte, um dieses thcils mit Obstbäumen, theils mit Eichen
wegen der Schweinemastung zu bcpftanzcn. Kein llnterthan
sollte getraut werden, der nicht wenigstens sechs Obstbäume ver-
edelt und sechs junge Eichen gepflanzt hätte. Für den weiteren
Ausbau und die Verschönerung Berlins geschah noch besonders
Vieles. Die Churfürstin Dorothea, zweite Gemahlin Friedrich
Wilhelms, legte auf den von ihrem Gemahle erhaltenen Grund-
stücken die Dorotheenstadt an, indem sic den Boden theil-
weise an Baulustige verkaufte und auch zur Verschönerung der-
selben die vierfache Lindenallee anlegte, zu welcher sie den ersten
Baum pflanzte. Die Straßen der Städte wurden gepflastert
und die nächtliche Erleuchtung eingerichtet. Die bisher bestehen-
den willkührlichen Schatzungen der Städte hob der Churfürst auf,